Gerichte dürfen Glaubensintensität von Konvertiten prüfen

Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag die Klage eines iranischen Asylbewerbers abgewiesen. Er hatte sich in Deutschland taufen lassen. Behörden und Gerichte waren jedoch nicht davon überzeugt, dass sein Glaube bei einer Abschiebung in der Heimat zu Verfolgung führen könnte. Die Richter in Karlsruhe hatten daran nichts auszusetzen.
Von Jonathan Steinert
Gericht, Urteil, Prozess, Freispruch

Verwaltungsgerichte dürfen überprüfen, wie intensiv ein zum Christentum konvertierter Asylbewerber seinen Glauben lebt, und darauf ihr Urteil gründen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Freitag und wies die Beschwerde eines Iraners ab. Vor zehn Jahren war er in Deutschland eingereist. Zunächst hatte er Asyl beantragt, weil er sich in seiner Heimat dem Wehrdienst entzogen und an einer regimekritischen Demonstration teilgenommen habe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wies seinen Antrag ab.

Das Verwaltungsgericht stellte 2013 jedoch fest, dass der Iraner Anspruch auf Asyl habe: Mittlerweile hatte er sich in einer evangelischen Kirchengemeinde taufen lassen. Im Berufungsverfahren änderte das Verwaltungsgericht Baden-Württemberg 2015 jedoch seine Einschätzung: Der Asylbewerber habe nicht überzeugend deutlich machen können, dass der Religionswechsel wirklich zu einer tiefen Einstellungsänderung geführt habe. Das Gericht könne nicht sicher sein, ob er seinen neuen Glauben so praktizieren würde, dass ihm in seinem Heimatland Verfolgung drohe. Warum er sich dem Christentum zuwandte, habe er nicht erklären können, auch sei er ein wenig religiöser Mensch, befand das Gericht damals. Es kritisierte zudem, dass der Asylbewerber keinen Taufkurs besucht habe, und unterstellte, er habe sich vor allem aus „sozialen und integrativen Gründen“ dem christlichen Glauben zugewandt, referiert das Bundesverfassungsgericht den Hergang des Falles.

Taufurkunde reicht nicht aus

Dagegen reichte der Mann Verfassungsbeschwerde ein und berief sich auf das Grundrecht auf Glaubens- und Religionsfreiheit. Es stehe dem Gericht nicht zu, zu überprüfen, ob er ein „wahrer Christ“ sei. Die Motive seiner Konversion dürften keine Rolle bei der Entscheidung spielen. Das Bundesverfassungsgericht wies das nun zurück. Die rechtlichen Maßstäbe, nach denen die früheren Instanzen entschieden haben, seien nicht zu beanstanden. Die Gerichte müssten davon überzeugt sein, dass der Konvertit in seiner Heimat wegen des Religionswechsels so stark verfolgt und eingeschränkt werde, dass es seine religiöse Identität beeinflusse. Das zu überprüfen, sei die Aufgabe der Richter. Ihre Entscheidung darüber, ob jemand aufgrund drohender religiöser Verfogung Asyl erhält, müsse „auf einer hinreichend verlässlichen und auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen“. Dabei müssten die Richter auch „Rückschlüsse auf die innere Einstellung“ des Asylbewerbers ziehen – eine Taufurkunde vorzulegen reicht demnach nicht aus.

Die Taufe und die damit verbundene Mitgliedschaft in einer Kirche dürften die Richter jedoch nicht anzweifeln, das unterliege dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Die wiederum hätten nicht darüber zu entscheiden, ob Asylgründe vorliegen oder nicht. Bei den Entscheidungen der Gerichte gehe es nicht um eine Bewertung der Religion oder einzelner Glaubenssätze. „Die Verwaltungsgerichte müssen und dürfen lediglich der Stellung des Schutzsuchenden zu seinem Glauben nachgehen, nämlich der Intensität und Bedeutung der von ihm selbst empfundenen Verbindlichkeit von Glaubensgeboten für die eigene religiöse Identität“, erklärt das Bundesverfassungsgericht.

Von: Jonathan Steinert

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