Man kann das nicht proben, nur der Ernstfall bringt es an den Tag. Und der ist nun da. Gesundheitsminister Jens Spahn vor drei Wochen: „Wir sind ein stückweit im Ungewissen!“ Am 4. März erklärte er nach einem Treffen der Ländergesundheitsminister, dass der Höhepunkt der Corona-Pandemie noch nicht erreicht sei. Die sorgfältige vorbereitete Nachricht will transparent informieren und gleichzeitig Ruhe bewahren. Falschmeldungen und Panikmache schüren eine Hysterie, die den Supermärkten leere Regale beschert.
Ich kann mich nicht erinnern, Ähnliches schon mal erlebt zu haben. Da wir alle nur eine begrenzte Stresstoleranz haben, erfassen wir die Schlagzeilen nur, wenn wir andere Themen ausblenden. Ja, der neue Schub von Flüchtlingen, die verzweifelt versuchen, die Grenze nach Griechenland zu stürmen – diese Menschen haben ganz andere Sorgen. Da geht es ums nackte Überleben. 700 Millionen Euro hatte die EU-Präsidentin im „Handgepäck“, als sie das Elend flüchtig von oben besuchte. Viel Geld für die Wiederherstellung der Ordnung. Dass nicht noch einmal so etwas wie Angela Merkels Charmeoffensive „Wir schaffen das“ passiert.
Geschäfte mit der Krankheit
Die Menschen hier treibt (im Moment noch) anderes um. Und mitten im Stresstest des Krankenhauswesens, wo es ohnehin schon an Ärzten und Pflegekräften mangelt, vollzieht sich ein ganz großer Deal der privaten Klinikszene. Die Universitätskliniken Marburg und Gießen sind vor Jahren vom Land Hessen an die Rhönklinikum AG verkauft worden. Das war Roland Kochs letzte große Amtshandlung als Ministerpräsident.
Mitten in einer Gesundheitskrise nie gekannten Ausmaßes, wo die Schutzkleidung für das Personal ausgeht, Ärzte aus dem Ruhestand reaktiviert werden und chronisch Kranke sich um den Nachschub Ihrer Medikamente sorgen, bahnt sich nun hinter den Kulissen die Übernahme der Rhönkliniken durch den zweitgrößten Klinikbetreiber Deutschlands Asklepios an, der schon längst Mehrheitseigner von Rhön ist. Mit der Übernahme würde er direkt hinter Fresenius-Helios auf Platz zwei der Branchenriesen liegen. Was für ein groteskes Timing. Im Interesse der Aktionäre werden auf dem Rücken des Personals und der Patienten mitten in einer Pandemie ganz große Geschäfte mit der Krankheit gemacht.
Noch fragwürdiger erscheint mir die Tatsache, dass Rhön-Gründer und Hauptaktionär Eugen Münch (75) diesen Deal im Alleingang ohne Einbindung des Rhön-Vorstandes vollzogen hat. Das alles riecht nicht gut.
Und für alle, die den Pflegenotstand beklagen, sollte man fragen, ob Sie eines Ihrer Kinder oder Enkelkinder zum Medizinstudium oder zum Erlernen eines Pflegeberufes ermutigt haben. Dann legt sich die Empörung schnell. Und wenn die Aktionäre selbst einmal der Pflege bedürfen, können sie sich vielleicht ein luxuriöses Senioren-Appartement mit Leibarzt leisten, aber sie werden auf der letzten Reise nichts mehr mitnehmen.