Mit den Wirren der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen hat die Politik an Glaubwürdigkeit verloren. Das werde nachwirken, sagte Wolfgang Huber, bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Politikverdrossenheit hat einen neuen Nährboden. Das macht mir große Sorgen“, erklärte er. Politisches Taktieren sei wichtiger geworden als das Einstehen für demokratische Tugenden, persönlicher Ehrgeiz habe die Glaubwürdigkeit besiegt.
Eine demokratische Regierung dürfe nicht mit Hilfe einer Partei an die Macht kommen, „die Grundwerte des demokratischen Rechtsstaats verleugnet“. Das hätten die Kirchen im Vorfeld „des Desasters von Erfurt“ deutlich machen können. Kirche sollte sich jedoch nicht parteipolitisch äußern, sondern nach dem fragen, was für die Menschen gut sei.
Mit der politischen Lage vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in den Dreißigerjahren will Huber die derzeitige Situation nicht vergleichen. Jedoch könne die Gesellschaft heute Lehren aus jener Zeit ziehen. „Die deutsche Katastrophe begann damit, dass zu viele Menschen der jungen Demokratie gleichgültig gegenüber standen und erhebliche Teile der Eliten offen oder verdeckt gegen sie arbeiteten“, sagte Huber im epd-Interview. Alle Bürger ständen heute in der Pflicht, die Demokratie zu verteidigen und aktiv mitzugestalten.
Von: Jonathan Steinert