Michael Herbst und Patrick Todjeras leiten das „Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung“ an der Universität Greifswald. Den beiden Theologen ist es also ein Anliegen, die christliche Botschaft und den Glauben an Jesus Christus unter die Menschen zu bringen. Mit „Verwurzelt“ haben sie nun ein Buch vorgelegt, das das Evangelium auf eine Weise weitergeben will, wie Paulus es im Galaterbrief tut: Sie wollen den Lesern „Jesus vor Augen malen“.
Und das gelingt ihnen sehr gut. „Verwurzelt“ ist eine Art ausformulierter Glaubenskurs, der in vier Teile gegliedert ist. Kleingruppen können das Buch gemeinsam lesen und dafür ein Begleitheft bestellen. Das Buch geht bei seiner Beschreibung des Glaubens nicht streng chronologisch vor, wie es dem Weg einer christlichen Bekehrung entsprechen würde. Stattdessen versuchen Herbst und Todjeras, den Glauben an Jesus Christus mit dem Bild eines Baumes zu verdeutlichen, der einen festen Grund braucht, um bestehen zu können. Zielgruppe sind, so liest sich zumindest das Buch, gerade die Menschen, die bereits an Jesus Christus glauben, ihren Glauben aber herausfordern und vertiefen wollen – unabhängig von ihrem Lebensalter. Dass Christen mit ihrer geistlichen Reifung niemals am Ende sind, machen die Autoren mehrfach deutlich. Sie warnen sogar eindringlich davor, sich seiner Sache allzu sicher zu sein. Hochmut und geistliche Überlegenheitsgefühle – egal welcher Couleur – sei gerade die Haltung, die Jesus Christus in den Evangelien am heftigsten kritisiert habe.
Herbst und Todjeras bauen dabei auf alten Dogmen auf, die seit Jahrtausenden von Christen geglaubt werden – eben den „Wurzeln“ des Glaubens. Die Stärke von „Verwurzelt“ ist gerade nicht, den Baum des Glaubens möglichst originell vom Kopf auf die Füße zu stellen, wie es in evangelikalen Kreisen gerade en vogue ist, sondern in den biblischen Wurzeln der Christenheit die alte Schönheit des Glaubens neu zu entdecken, indem Herbst und Todjeras ihn neu buchstabieren – aber nicht neu gründen.
Gott entscheidet, nicht der Mensch
So seien die Wege zu Jesus durchaus unterschiedlich. Manche Menschen würden durch theologische Erleuchtungen überzeugt, wie etwa der Apostel Andreas, der verstanden habe, dass Jesus das „Lamm Gottes“ und damit der versprochene Messias sei. Für andere Menschen heutzutage könne der entscheidende Weg zu Jesus aber auch andere Botschaften bedeuten: „Für Jesus bist du kein Verlierer!“, „Du bist genug.“, „Dein Scheitern ist nicht das Ende.“ Glaube könne eben nicht erzwungen werden. Gott entscheide, wann er in das Leben eines Menschen komme, nicht der Mensch selbst. „Es ist uns verborgen, warum die einen beginnen, Jesus nachzufolgen, und die anderen das nicht tun. Nicht verborgen ist uns aber, dass Menschen beginnen, Jesus zu folgen.“
Die Abschnitte beginnen überwiegend mit einer interessanten Anekdote oder biografischen Bezügen der Autoren, die wahlweise Nicken, ein Schmunzeln oder beides zugleich erzeugen. Meisterhaft schlagen die Autoren dann augenzwinkernd den Bogen zu Themen, die eigentlich ernst sind. Eine Gratwanderung, die Herbst und Todjeras aber durchweg sicher gelingt. Eine Kostprobe:
„Wenn es um den Tod geht, verstehen Verwaltungen keinen Spaß. In den Unterrichtsblättern für die Bundeswehrverwaltung heißt es: ‚Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar.‘ Noch besser sagt es das Bundessteuerblatt: ‚Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EstG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen.‘ Den Vogel schießt ein Kommentar zum Bundesreisekostengesetz ab: ‚Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet.‘
Das Grab, in das sie Jesus legten, stellte in jeder Hinsicht die stärkste Form der Dienst- und Berufsunfähigkeit für Jesus dar. Seine Dienstreise war an ihr Ende gekommen, als er nach nur drei Jahren öffentlichen Wirkens wie ein Verbrecher hingerichtet wurde. Allerdings zeigt uns die Ostergeschichte, dass der Tod nicht das letzte Wort hatte. Es heißt nämlich, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und lebt.“
Das Buch packt auch schwierige Themen wie das Gericht Jesu oder die Beinahe-Opferung Isaaks durch dessen Vater Abraham an. Es sind Texte, die nicht nur heutige Leser verstören und erschrecken. Gerade deshalb nehmen sich die Autoren dieser Texte an, die nach ihren Worten „wie Lebertran“ schmecken können. Unter Christen stoßen gerade Gerichtstexte bisweilen auf zwei entgegengesetzte Reaktionen, wie Herbst und Todjera zutreffend bemerken: Die einen lehnen diese schwierigen Texte mit der simplen Formel ab, dass Jesus eine „Frohbotschaft, keine Drohbotschaft“ in die Welt geschickt habe – als ob eine Meinung vor allem dann richtig wäre, wenn sie sich reimt. Andere Christen, die Autoren nennen sie „religiöse Moralisten“, überbewerten den Richtercharakter Gottes und entwickeln ein vor allem strafendes Gottesbild, in der Gnade zur Theorie verkommt. „Verwurzelt“ malt den Lesern stattdessen eine dritte Sichtweise „vor Augen“, die versucht, sowohl der „Furcht Gottes“ als auch seiner bedingungslosen und aufopfernden Liebe gerecht zu werden.
Sowohl zur persönlichen Lektüre als auch für Kleingruppen bietet „Verwurzelt“ in leicht verständlicher Sprache einen tief durchdrungenen Zugang zum Glauben an Jesus Christus. Die vielen lebendigen Veranschaulichungen helfen, dran zu bleiben. Dabei richtet sich das Buch nicht an eine bestimmte Altersgruppe, empfiehlt sich daher für eine breite Leserschaft – und lädt dabei zum Austausch ein.