Jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, soll automatisch Organspender sein, dafür hatte die Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädiert. Das hat der Bundestag am Donnerstag mit 379 zu 292 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. Einen anderen Entwurf von Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock und weiteren Abgeordneten hat er mit 432 Stimmen hingegen angenommen. Dieser will die Menschen vermehrt zur Organspende ermutigen. So soll zum Beispiel jeder mindestens alle zehn Jahre mit dem Thema Organspende konfrontiert werden, wenn er seinen Ausweis auf dem Amt abholt. Ebenso wie Spahns Entwurf sieht auch dieser ein zentrales Online-Register vor.
Die Debattenbeiträge hatten sich pro und contra Widerspruchslösung quer durch die Parteien aufgeteilt. Der Fraktionsdisziplin war aufgehoben, jeder Abgeordnete konnte für sich entscheiden und entsprechend abstimmen. Deutschland braucht mehr Organspender, da waren sich im Grunde alle einig. Es sei kein Streit um das Ziel, sondern um den Weg dorthin, so brachte es Bundestags-Alterspräsident Hermann Otto Solms (FDP) im Plenum auf den Punkt.
Kirchen waren gegen Widerspruchslösung
„Wir sind Schlusslicht in Europa“, bemängelte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, einer der Initiatoren der Widerspruchslösung. Deren Gegner betonten wiederum, die Einführung der Widerspruchslösung habe in keinem Land zu einer Erhöhung der Organspenden geführt. Vielmehr hielten organisatorische Defizite die Zahl niedrig. „Freiwillig“ und „selbstbestimmt“ waren die Schlagwörter der Widerspruchsgegner, der Mensch gehöre nicht dem Staat, sondern sich selbst. Die Spendenbereitschaft an sich sei groß, es müsse vielmehr zur Zustimmung ermutigt werden.
Zwei Unionspolitiker hatten zum Ende der Debatte noch einmal für beide Seiten das Wort. „Spende muss Spende bleiben“, sprach sich Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe gegen die Widerspruchslösung aus. Sein Nachfolger im Amt, Jens Spahn, warb für dieses Modell, auch wenn es keine „Wunderwaffe“ sei. Organspende dürfe nicht die Ausnahme, sondern müsse die Regel sein.
Bei den Kirchen hatte die Widerspruchslösung stark in der Kritik gestanden. Für Uwe Heimowski, den Politikbeauftragten der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), hätte sich dabei vor allem die Frage gestellt, wie weit der Staat in die Würde des Einzelnen verpflichtend eingreifen darf. Spenden sei gut, aber freiwillig, sagte er im Vorfeld der Debatte im pro-Interview. Die Evangelische und die Katholische Kirche begrüßten die Entscheidung des Bundestages: „Das Gesetz gewährt weiterhin eine möglichst große Entscheidungsfreiheit bei der Organspende und trifft dennoch Maßnahmen, die dazu führen, dass die Menschen sich verstärkt mit der Frage der Organspende befassen“, teilten sie in einer Erklärung mit.
Von: Christina Bachmann