In einem Editorial hat sich der Chefredakteur der amerikanischen Zeitschrift Christianity Today (CT) für die Amtsenthebung von Donald Trump ausgesprochen. Das offizielle Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten war am 18. Dezember mit der Anklage gegen Trump wegen Machtmissbrauch und Behinderung des Kongresses eröffnet worden. „Der Präsident der Vereinigten Staaten versuchte, seine politische Macht zu nutzen, um einen ausländischen Führer zu zwingen, einen der politischen Gegner des Präsidenten zu schikanieren und zu diskreditieren“, schreibt Mark Galli in seinem Beitrag vom Donnerstag. Das sei nicht nur ein Verstoß gegen die Verfassung, sondern vor allem zutiefst unmoralisch.
Präsident Trump habe während seiner Regierungszeit „die Idee der Moral“ heruntergespielt. Galli zieht in dem Editorial der evangelikalen Zeitung einen Vergleich zu US-Präsident Bill Clinton und CT-Veröffentlichungen zu dessen Amtsenthebungsverfahren 1998. Clinton habe damals durch „widerwärtige Handlungen und unmoralische Taten“ die Regierung „moralisch unfähig gemacht, zu führen“. Clinton habe als Präsident versäumt, die Wahrheit zu sagen, und damit „an dem Gefüge der Nation gerührt“. Dies treffe heute auch auf Präsident Trump zu. Dass Trump abgesetzt werden sollte, ist nach Gallis Auffassung „keine Frage der Parteitreue, sondern der Loyalität gegenüber dem Schöpfer der Zehn Gebote“.
Glaubwürdigkeit geht verloren
Evangelikale Unterstützer Trumps rechtfertigten ihre Haltung unter anderem mit seinem Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, der Verteidigung der Religionsfreiheit durch den Präsidenten und seiner Verantwortung für die Wirtschaft. Dazu schreibt der CT-Chefredakteur: „Wir glauben, […] dass Präsident Trump seine Autorität für persönliche Vorteile missbraucht und seinen Verfassungseid verraten hat“, schreibt der CT-Chefredakteur.
An die Adresse der evangelikalen Trump-Befürworter gerichtet, schreibt er: „Erinnern Sie sich daran, wer Sie sind und wem Sie dienen. Überlegen Sie, wie Ihre Rechtfertigung von Mr. Trump Ihr Zeugnis für Ihren Herrn und Retter beeinflusst.“ Die evangelikalen Trump-Unterstützer sollten sich klarmachen, welche Folgen ihr Handeln in der „ungläubigen Welt“ habe. „Wenn wir jetzt nicht umkehren, wird dann jemand das, was wir dann über Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit sagen, noch irgendwie ernst nehmen in den nächsten Jahrzehnten?“
„Falschdarstellungen, Lügen und Verleumdungen“
Die Amtsenthebungs-Anhörungen hätten die moralischen Mängel des Präsidenten offengelegt. Dies schade dem Amt des Präsidenten, dem Ruf des Landes und „dem Geist als auch der Zukunft“ der Nation. „Keine positive Errungenschaft des Präsidenten kann die moralische und politische Gefahr ausgleichen, der wir unter einem Führer von solch grob unmoralischem Charakter ausgesetzt sind“, schreibt Galli. Allein der Twitter-Feed des Präsidenten – „mit seiner gewohnheitsmäßigen Folge von Falschdarstellungen, Lügen und Verleumdungen“ – sei „ein nahezu perfektes Beispiel für einen moralisch verlorenen und verwirrten Menschen“.
In seinem Editorial hatte Galli zunächst auf den satzungsgemäßen Auftrag der Zeitung hingewiesen, den ihr ihr Gründer Billy Graham mitgegeben habe. Demnach soll CT evangelikal gesinnten Christen dabei helfen, Nachrichten aus der Sicht ihres Glaubens heraus einzuordnen. Der Ansatz vom CT bestehe darin, über einem Streit zu stehen und Christen mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen zu erlauben, ihre Argumente in einer öffentlichen Debatte vorzubringen. Die Zeitung habe sich ein Urteil über Präsident Trump lange vorbehalten und für die Zurückhaltung auch Kritik geerntet. „Dennoch halten wir es von Zeit zu Zeit für notwendig, unsere eigene Meinung zu politischen Angelegenheiten klarzumachen“, rechtfertigt Galli seine Haltung zu Trump und dem Amtsenthebungsverfahren. Auf Facebook wurde der Leitartikel Gallis mehr als 35.000 Mal kommentiert.
New York Times und Franklin Graham schalten sich ein
Das Editorial war am Freitag auch Thema in US-amerikanischen Medien. Mit seinem „glühenden Leitartikel“ der die Absetzung von Präsident Trump forderte, habe Galli „die volle Kraft und Wut des Präsidenten und seiner prominentesten Verbündeten in der christlich-konservativen Welt“ auf sich gezogen, schreibt die New York Times (NYT). Die Reaktionen zeigten, „dass weiße Evangelikale der Eckpfeiler“ Trumps politischer Basis seien und evangelikale Leiter zu den „sichtbarsten und einflussreichsten Unterstützern“ des Präsidenten gehörten.
Die Reaktion der evangelikalen Trump-Befürworter auf das CT-Editorial ist nach Ansicht der NYT „von einer Feindseligkeit“ durchzogen, die den typischen Stil Trumps nachahme. Nachdem der Präsident in dieser Woche angeklagt worden sei, habe er „extrem empfindlich“ reagiert und versucht, CT als ein „weit linkes Magazin“ zu brandmarken, das die Agenda der Demokratischen Partei verfolge.
Auf Twitter teilte Trump mit:
Auch Franklin Graham, der Sohn von CT-Gründer Billy Graham, äußerte sich zu dem Leitartikel. Auf Facebook teilte er mit, dass Galli einen „parteipolitisch motivierten Angriff“ geführt habe. Sein Vater habe etwa ein Jahr vor seinem Tod für Trump als Präsidenten gestimmt. Die Äußerungen Grahams auf Facebook haben wiederum Tausende kommentiert. Graham bezeichnete Trump als „einen entschiedenen Verteidiger der Religionsfreiheit“ in den USA und auf der ganzen Welt. CT wolle das ignorieren. Graham verteidigte Trump und nannte die Vorwürfe gegen den Präsidenten „falsche Anschuldigungen“.
Von: Norbert Schäfer