Zu einem verstärkten Einsatz für bedrängte Christen haben mehrere Referenten auf dem 6. ökumenischen Kongress „Christenverfolgung heute“ in Schwäbisch Gmünd vor rund 450 Teilnehmern aufgerufen. Trotz weltweit zunehmenden Widerstands gegen das Christentum entstünden überall neue christliche Gemeinden, berichtete der Direktor des christlichen Hilfswerks „Barnabas Fund“, Patrick Sookhdeo aus Pewsey in Südwestengland. Seinen Angaben nach breitet sich das Christentum vor allem in Staaten aus, die Christen bedrängten.
In Nigeria gibt es „eine Art Völkermord an Christen“
Der Kirchenpräsident der „Evangelical Church Winning all“ (ECWA) im nigerianischen Jos, Stephan Panya Baba, sagte laut einer Pressemitteilung, dass sich in manchen Regionen Nigerias die Situation von Christen so sehr verschlechtert habe, dass man von „einer Art Völkermord an Christen“ sprechen könne. Es gebe in seinem Heimatland nicht nur die islamische Terrormiliz „Boko Haram“ (Westliche Bildung ist Sünde), sondern auch extremistische Fulani-Milizen. Häufig sei – auch in Medienberichten in Europa – zu lesen, dass die schweren Auseinandersetzungen im Süden des Landes zwischen christlichen Bauern und muslimischen Fulani-Nomaden keine religiösen Gründe hätten, sondern ein Streit um Land sei. Doch die muslimischen Angreifer richteten sich gezielt gegen Christen. Muslime würden zumeist gewarnt und verließen dann „ganz still“ am Abend vor der Attacke das Dorf.
Irak: Ohne Sicherheitsgarantien keine Rückkehr von Christen
In einer anderen Veranstaltung berichteten Kirchenvertreter, dass die meisten irakischen Christen ohne Sicherheitsgarantien nicht in ihre Heimat zurückkehrten. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ habe viele christliche Dörfer verwüstet und Tausende Kirchenmitglieder ermordet. Betroffen war vor allem die nordirakische Ninive-Ebene mit der Hauptstadt Mossul. Etwa 40 Prozent der Häuser seien dort zerstört worden, berichtete der dortige katholische Priester Georges Jahola. Am Wiederaufbau beteiligten sich Hilfsorganisationen aus aller Welt.
Etwa 40.000 der mehr als 500.000 aus der Ninive-Ebene Vertriebenen seien inzwischen zurückgekehrt, die Übrigen lebten in anderen Landesteilen oder in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien sowie im westlichen Ausland. Am wichtigsten sei das Gefühl, ohne Angst vor neuen Angriffen planen zu können. Außerdem brauche man Arbeitsplätze in Fabriken, Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft. Die irakische Regierung unterstütze den Wiederaufbau nur zögerlich. Der Geistliche forderte mehr internationalen Druck, um die Korruption im Land wirkungsvoll zu bekämpfen.
Türkei: Es gibt Druck und Probleme, aber keine Christenverfolgung
Der Generalsekretär der Türkischen Evangelischen Allianz, Umit Sahin aus Izmir, sagte, in der Türkei könne man nicht von Verfolgung sprechen. Er gebe aber Druck und Probleme. So könne es passieren, dass die Polizei, nachdem beispielsweise ein Student Christ geworden sei, die Familie anrufe, sie darüber informiere und vor einer möglichen „Gehirnwaschung“ durch Missionare warne. Andere Christen hätten nach ihrem Übertritt ihren Arbeitsplatz verloren.
Kauder: Einsatz für verfolgte Christen ist eine „geschwisterliche Pflicht“
Für den Schirmherr des Kongresses, den früheren Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder, ist der Einsatz für Religionsfreiheit und verfolgte Christen eine „geschwisterliche Pflicht“. Christen in Deutschland trügen die Verantwortung, dass Glaubensfreiheit auch in Zukunft bestehen könne: „Wenn es die Religionsfreiheit nicht gibt, gibt es auch keinen Schutz für Christen.“
Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, sagte in der Auftaktveranstaltung, das Thema Religion gewinne für die Bundesregierung zunehmend an Bedeutung. So sei eine Veranstaltungsreihe „Religion matters“ (Religion zählt) ins Leben gerufen worden, und im Auswärtigen Amt gebe es ein Referat zum Thema „Religion und Außenpolitik“.
Kongress begann 2009 mit zehn Kooperationspartnern
Das Christliche Gästezentrum Schönblick und die Evangelische Nachrichtenagentur idea veranstalten den viertägigen Kongress in Zusammenarbeit mit mehr als 30 evangelischen, katholischen und freikirchlichen Hilfswerken sowie Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien. Er geht am Mittwoch zu Ende. Es ist laut der Veranstalter der größte Kongress dieser Art in Deutschland.
Ziel des Kongresses ist es, bedrängten Christen eine Stimme zu geben, die Netzwerke zwischen ihnen und den Christen in der „freien Welt“ auszubauen und Initiativen zum Handeln aufzuzeigen. Der alle zwei Jahre stattfindende Kongress begann 2009 mit zehn Kooperationspartnern und 250 Teilnehmern.
Von: Martina Blatt