Die Fernsehpredigerin und ehemalige Pastorin einer Megachurch, Paula White, unterstützt Donald Trump seit vielen Jahren. Schließlich nahm er sie im Jahr 2016 in sein persönliches Berater-Team auf. Am Montag verkündete der US-Präsident dann, White sei nun auch Teil des Büros für Öffentlichkeitsarbeit („Office of Public Liaison“), das dem Weißen Haus untergeordnet ist. Sie soll den Glauben der Regierung im Blick behalten und dafür sorgen, dass christliche Gruppen eine Stimme haben und von der Regierung gehört werden. Das klingt eigentlich prima.
White vertritt ein Wohlstandsevangelium. Also: Wer viel Geld hat, ist von Gott gesegnet. Im Jahr 2007 untersuchte der US-Senat die finanziellen Umstände von mehreren TV-Predigern, darunter auch die Whites. Es kam heraus, dass sie und ihr damaliger Ehemann in der gemeinsam geleiteten Mega-Kirche „Without Walls International“ in Tampa allein in den Jahren 2004 bis 2006 rund 150 Millionen Dollar eingenommen hatten. White und ihr Mann besaßen einen Privatjet und millionenschwere Immobilien, darunter eine Wohnung im Trump Tower in New York City. Dem Trump Tower von dem Donald Trump.
Trump und White verstehen sich bestens. Wie Trump war White drei Mal verheiratet. Ihr jetziger Ehemann, Jonathan Cain, ist Rockstar wie er nicht nur im Buche steht, sondern seit 2017 auch in der „Rock and Roll Hall of Fame“. Bis vor kurzem war Paula White die Hauptpastorin der Gemeinde „New Destiny Christian Center“ in Apopka, Florida. Diesen Posten hat sie vor kurzem an ihren Sohn abgegeben.
Jesus und das Gold des Trump Tower
Immer wieder kritisieren amerikanische Theologen Paula White. Der Pastor der „Southern Baptist“, Russell Moore, twitterte vor ein paar Jahren: „Paula White ist ein Scharlatan, und kann von jedem rechtgläubigen Christen als Häretikerin erkannt werden.“ David Robertson, Pastor der „Free Church of Scotland“, kommentierte in der Zeitung Christian Today: „Das Wohlstandsevangelium von Paula White passt eher zum Gold der Trump Tower als zum Evangelium von Jesus Christus! Für mich taucht das Dämonische viel eher bei all der Manipulation und Lügen innerhalb des Wohlstandsevangeliums auf als bei den politischen Intrigen der Gegner Trumps.“
In ihrem Buch „Something Greater“ gehe es White vor allem um sie selbst, schreibt Robertson, der das Buch für das Magazin Christian Today gelesen hat. Im Buch gehe es ferner um ihren eigenen Wohlstand und dass sie stolz darauf ist, schreibt Robertson. Jesus sei nur Nebengeplänkel. Sie sei auch nun einmal unglaublich schön, darauf legt Paula White sowohl in ihrem Buch, als auch in ihren Reden immer wieder wert. Und sie sei sehr weise und gläubig, stellt sie sich selbst ihr Zeugnis aus. Eine Ausdrucksform, der Donald Trump kaum widerstehen kann. Er selbst stellt sich gerne über alle andere, und wenn er andere lobt oder tadelt, reduziert er seine Ausdrucksweise auf das Wenigste.
„Wo ich stehe, ist heiliger Boden“
Paula White wirkt zwar oft etwas verhuscht, sie hat die Sprechweise der Evangelikalen aber verinnerlicht. Die Botschaft gleich dahinter lautet allerdings immer zuverlässig: Schickt mir Euer Geld! Viel Geld. Denn wer viel gibt, dem wird viel gegeben. Sogar jüngst zum jüdischen Feiertag Jom Kippur vor einem Monat rief White auf ihrer Webseite dazu auf, ihr Geld zu schicken, was für einige Irritationen sorgte. Der jüdische „Tag der Versöhnung“ sei ja irgendwo auch der „Tag des Opfers“, fabulierte sie, und daher sei es angemessen, besonders ihr ein Opfer zu geben, möglichst hoch.
Paula White hat das fromme Totschlagargument im politischen Sinne missbraucht und perfektioniert: Jede Kritik an Trump lässt sich nur durch eine Ursache erklären: Sie kommt direkt vom Teufel. Denn Trump ist ja nun einmal höchstpersönlich von Gott gesandt worden.
Bei einem Christen müssen bei solchen Sätzen alle Alarmglocken angehen. Tun sie das nicht, beginnt etwas ins Wanken zu geraten, was fatale Folgen haben kann. Der Absolutheitsanspruch, von Gott zum Wohl der Menschheit gesandt worden zu sein, fällt nur einem Menschen zu, und das ist Jesus. Es gibt nur wenig mächtigere, und daher verlockendere, und in der Geschichte so oft benutztes Argument als „Gott will es so“. Dabei hat Gott uns als individuelle Wesen erschaffen mit der Fähigkeit selbst zu denken. Es ist prima, wenn jemand von sich sagt, Gott habe zu ihm gesprochen, und deswegen müsse er mit dem Rauchen aufhören. Schwierig wird es, wenn er mit diesem Anspruch zu anderen geht und ihnen sagt, was sie in Gottes Namen zu tun oder zu lassen haben. Erst recht, wenn es um so viel Macht geht wie beim amerikanischen Präsidenten. Passiert dies, egal wo, muss man es als das bezeichnen, was es ist: als geistlichen Missbrauch.
Es kann nicht sein, dass ein amerikanischer Präsident sich erlauben kann, Menschen und Gesetze zu verletzen, und am Ende immer eine vermeintlich fromme Person ihren Segen dazu gibt. Und gerade Trump hat sich wie kaum ein anderer Präsident in der jüngeren Geschichte der USA moralisch so daneben benommen, Menschen verletzt, Hass gegen Minderheiten geschürt und Frauen in den Schmutz gezogen. Im Sommer letzten Jahres rief Präsident Trump zwar einerseits einen Nationalen Gebetstag aus, nicht ohne zu versichern, der Glaube sei mächtiger als eine Regierung. Doch nur wenige Stunden vorher hatte Trump zugegeben, seinen Anwalt bezahlt zu haben, damit er die Porno-Darstellerin Stormy Daniels zum Schweigen bringt. Dass er eine Affäre mit Daniels hatte, kurz nachdem seine Ehefrau Melania den gemeinsamen Sohn Barron zur Welt gebracht habe, bestreitet Trump jedoch bis heute. Das Geld habe er der Dame einfach nur so zahlen wollen.
Wer gegen Trump ist, wird sich vor Gott rechtfertigen müssen …
Paula White argumentiert: Wer Trump nicht wählt, wird sich eines Tages vor Gott verantworten müssen. Für sie ist der christliche, oder sagen wir besser: evangelikale Glaube ein Zauberstab, mit dem sie alles und jeden in Bann schlagen kann, der politisch nicht so tickt wie sie – oder wie ihr neuer Brötchengeber Donald Trump. In der Fernsehsendung „The Jim Bakker Show”, wo sie im Oktober ihr neuestes Buch vermarktete, behauptete sie nicht nur, man müsse ihr Buch lesen, um Trump zu verstehen und zu mögen. Sondern auch: Eines Tages wird man sich vor Gott verantworten müssen. Das kann – und sollte wohl auch – heißen: Gott wird einen jeden amerikanischen Christen eines Tages verwundert fragen, warum er Trump nicht unterstützt hat. Oder auch: warum man ihr Buch nicht gekauft hat. Auf einer Kundgebung im Juni sagte sie, ein „dämonisches Netzwerk“ versuche offenbar, die Wiederwahl Trumps 2020 zu verhindern. Und dagegen helfe der Name Jesus Christus. Selten war der politische Missbrauch des Namens Jesu so dreist.
Für einen Höhepunkt der Empörung sorgte eine Äußerung Whites, die sie im Juli in einer Predigt machte und die als Video viral durchs Internet ging. Die Pastorin verkündete: „Wo auch immer ich hingehe, dort regiert Gott. Wenn ich zum Weißen Haus gehe, geht Gott dort hin. Ich habe die Autorität zu sagen: Das Weiße Haus ist heiliger Boden, denn ich stand dort. Wo ich stehe, ist heiliger Boden.“ Man ahnt, was sie meint, aber in der Bibel lese ich das anders: Da ist es Gott, der entscheidet, wann wo heiliger Boden ist und wer autorisiert ist, Boden für ihn „einzunehmen“. Vor einem Jahr versicherte White den Evangelikalen im Land, Trump sei einer von ihnen. Man müsse ihm aber nachsehen, dass er nicht immer fließend „Christlich“ spreche („fluent Christianese”). Das kann Paula White in jedem Fall gut: fließend „Christlich“ sprechen.
Aber mal eine ganz andere Frage: Wozu braucht Donald Trump überhaupt einen Berater? Der wohl beratungsresistenteste US-Politiker erweckt seit jeher eher den Eindruck, als habe er seine Regierungsgeschäfte – mit FOX News auf dem Fernseher und der Twitter-App in der Hand – , eigentlich immer noch am besten allein in der Hand. Man wird den Verdacht nicht los: Paula White soll keine Beraterin in Sachen Glauben sein, sondern in Sachen evangelikale Christen, eine nicht zu unterschätzende Wählermasse in den USA. Und wer weiß, eines Tages wird White vielleicht selbst US-Präsidentin werden wollen. Lachen Sie nicht. In Amerika ist derzeit alles möglich.