Über ihre Haltung zur Religion hat Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth bisher selten gesprochen. In einem Videointerview der Sendung „Jung und Naiv“, das am Sonntag veröffentlicht wurde, erzählt sie von ihren Erfahrungen mit der Katholischen Kirche in Bayern als Schülerin und wie sie heute zur Kirche steht.
Roth wurde 1961 in Bayern eingeschult. „Sehr konservativ, sehr stark geprägt von der Kirche“ sei ihre Schule gewesen. Im Fach Religion habe der Lehrer ihr eine schlechte Note gegeben – obwohl sie die biblischen Geschichten kannte und wiedergeben konnte. Roths Erklärung: Ihre Eltern seien nicht in die Kirche gegangen, das habe der Lehrer ihnen übel genommen. Die heutige Bundestagsvizepräsidentin bezeichnet das als ihre erste Ungerechtigkeitserfahrung.
Fasziniert von Kirche und Bibel
Dennoch habe die Religion eine Faszination auf sie ausgeübt. Sie sei sehr oft in die Kirche gegangen und die biblischen Geschichten hätten sie interessiert. Ob sie sich als gläubig bezeichnen würde, könne sie rückblickend nicht sagen. Gebetet habe sie vor allem, damit die Familie es „zumindest ins Fegefeuer schafft“. „Ich habe gedacht, wenn nicht irgendjemand in dieser Familie sich mit dem Lieben Gott gut versteht, dann kommen wir alle in die Hölle“, sagt Roth.
Die Katholische Kirche habe sie mit Zustimmung ihrer sehr gläubigen Großmutter schließlich verlassen. Vor allem die Frauenfrage sei der Grund dafür gewesen. Später sei sie zusätzlich auch noch aus der Kirche verbannt worden. Der Grund: Roth brachte 1994 im Europaparlament einen Bericht zur Gleichstellung Homosexueller auf den Weg. Der Papst habe sie darauf in einer Ansprache auf dem Petersplatz erwähnt und einen offiziellen Kirchenbann erklärt. „Damit bin ich echt bekannt geworden in der ganzen Welt“, erinnert sich Roth.
In Kirchen gehe sie heute dennoch gerne. „Manchmal setze ich mich einfach rein um runterzukommen“, sagt sie. Ein positives Verhältnis habe sie bis heute zur Moral und ethischen Grundsätzen religiöser Menschen. Die Institution Kirche halte sie aber für „defizitär“.
Von: Anna Lutz