„Diese Vergangenheit beeinträchtigt das Handeln als Bischof“

Die Leitung der sächsischen Landeskirche hat ältere, nationalkonservative Texte ihres Bischofs Carsten Rentzing als „verstörend“ bezeichnet. Rentzing hatte sie während seiner Studienzeit verfasst. Eine solche öffentlich gewordene Vergangenheit beeinträchtige das Handeln als Bischof, heißt es in einer Erklärung der Kirchenleitung. Auch Verteidiger Rentzings meldeten sich zu Wort. Rentzing hatte am Freitag seinen Rücktritt angekündigt.
Von Jonathan Steinert
Der sächsische Landesbischof Carsten Rentzing hat sich gegenüber der Kirchenleitung von nationalkonservativen, rechten Texten seiner Studentenzeit distanziert und stellte sein Amt zur Verfügung

Nachdem der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Carsten Rentzing am Freitag seinen Rücktritt angekündigt hatte, berichtete tagesschau.de am Wochenende über „rechtsextreme Texte“, die Rentzing als Student geschrieben hatte. Die Kirchenleitung der Landeskirche teilte am Sonntag mit, Rentzing sei als Pfarrer und Bischof mit „klaren konservativen Positionen aufgetreten“. Über eine „rechtsextreme oder nationalistische Denkweise ist in der kirchlichen Öffentlichkeit nichts bekannt geworden“. Umso verstörender seien die nun publik gewordenen Texte.

„Dass ein Mensch sich im Laufe seines Lebens entwickeln kann, dass gerade auch der Glaube an Jesus Christus Menschen verändern kann, darin sind sich alle Mitglieder der Kirchenleitung einig“, heißt es in der Erklärung. Gegenüber der Kirchenleitung habe sich Rentzing erklärt und distanziert, was diese als glaubwürdig einschätze. Jedoch beeinträchtige eine solche öffentlich gewordene Vergangenheit „das Handeln als Landesbischof und Repräsentant der Landeskirche“ nachhaltig.

Von 1989 bis 1992 arbeitete Rentzing als Redakteur an der Zeitschrift Fragmente mit. Laut der Erklärung der Kirchenleitung soll sie eine Auflage von 100 Exemplaren gehabt haben und aus studentischem Engagement entstanden sein. Rentzing hat in mehreren Ausgaben der Zeitschrift selbst Texte verfasst, in denen er sich unter anderem mit Staat und Gesellschaft befasst. Sie liegen pro vor. Darin äußert er sich unter anderem nationalkonservativ, stellt die Demokratie infrage, kritisiert eine „liberale Ideologie“ sowie eine multikulturelle Gesellschaft und betont die Ethnie als Grundlage für den Nationalstaat.

So hält Rentzing es in einem Text „für absurd, der heutigen Gleichsetzung von Demokratie und Freiheit unmittelbar zu folgen und gemeinsam mit der liberalen Staatsdoktrin eine seit Jahrtausenden anhaltende Diskussion um die beste Staatsform seit 50 Jahren für beendet und gelöst zu erklären“. Nach „wahrhaftigster Freiheit strebenden Völkern“ sollten „die Fehler des demokratischen Systems erspart bleiben“. An anderer Stelle schreibt er von „revolutionärem (sic!), kulturzersetzenden Umwälzungen unter dem Deckmantel der liberalen Weltoffenheit“ und vom „Widerstand derjenigen“, die gegen alle Widerstände „an ethnisch und religiös Tradiertem festhalten wollen“.

Rentzing: „Unverständnis und Scham über die Texte“

Die Texte „sind aus damaliger und aus heutiger Sicht unvertretbar“, befindet die Kirchenleitung der sächsischen Landeskirche. Sie stellt aber ebenso klar, dass die Publikationen in einer Zeit entstanden, als Rentzing „auf der Suche und sein Weg ins Pfarramt nicht vorgezeichnet war“. Das habe der Bischof selbst mehrfach betont. Seit Mitte der Neunzigerjahre, als sich sein beruflicher Weg in die Kirche abzeichnete, seien keine solchen Äußerungen bekannt geworden.

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, spielte eine unbekannte Quelle vorige Woche dem Leipziger Pfarrer Frank Martin die Texte zu. Der konfrontierte daraufhin den Bischof damit, auch ein Teil der Kirchenleitung erfuhr davon, bevor am Freitag die ganze Kirchenleitung ins Bild gesetzt wurde. In einem Gespräch zwischen dem Gremium und dem Bischof „stellte [er] es so dar, dass er diese Zeit in seinem Leben und diese Texte verdrängt habe, und äußerte großes Unverständnis und Scham über das, was er damals geschrieben hat“, heißt es in der Mitteilung der Kirchenleitung.

Der Rücktritt von seinem Amt sei eine persönliche Entscheidung Rentzings gewesen. In seiner Erklärung, die er dazu am Freitag abgab, formulierte er: „Positionen, die ich vor 30 Jahren vertreten habe, teile ich heute nicht mehr.“ Zu dem Zeitpunkt war jedoch seine publizistische Tätigkeit während seines Studiums noch nicht öffentlich bekannt. Als Gründe für den Amtsverzicht standen andere Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Petition gegen ihn im Raum, die sich unter anderem auf seine Haltung zur AfD und seine Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung bezog. Daher überwog zunächst auch kirchlicherseits das Bedauern über seinen Rückzug.

Unterstützung und Distanz

Heinrich Bedford-Strohm, Bischof der bayerischen Landeskirche und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, erklärte laut Evangelischem Pressedienst (epd) am Freitagabend, die Ankündigung habe bei ihm „Betroffenheit und großes Bedauern“ ausgelöst. Ähnlich äußerte sich am Freitag Ralf Meister, Hannoverscher Landesbischof und Vorsitzender der Vereinigten Evanglisch-Lutherischen Kirchen in Deutschland. Rentzing ist in jenem Amt sein Stellvertreter. Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und Mitglied im Rat der EKD, schrieb ebenfalls am Freitag auf Facebook, es sei „fatal, wenn rechts einer vermeintlichen Mitte kein Platz mehr ist für kirchenleitende Positionen“. Nach Bekanntwerden der neuen Informationen kündigte er eine ergänzende Stellungnahme an.

Am Samstagabend dann – nach dem tagesschau.de-Bericht – äußerte sich Bedford-Strohm „schockiert“ über die Texte Rentzings, meldete der epd. „Ich hoffe auf eine schnelle Klärung innerhalb der Landeskirche, zu der Carsten Rentzing sicher selbst beitragen wird“, erklärte der Ratsvorsitzende. „Als evangelische Kirche müssen wir uns eindeutig und laut vernehmbar gegen rechtsextremistische Einstellungen positionieren.“

Unterstützung für Rentzing kam unter anderem vom „Arbeitskreis Bekennender Christen“ (ABC). Mit Rentzing gehe der EKD einer der wenigen konservativen Vertreter verloren, heißt es in einer Mitteilung. Seit seinem Amtsantritt 2015 hätten Rentzings Kritiker versucht, ihn mürbe zu machen. ABC-Sprecher Hans-Joachim Vieweger sprach von einer Kampagne gegen den Bischof. „Auch wenn Rentzing vor 30 Jahren Sätze geschrieben hat, die er heute für falsch hält – es ist einfach unevangelisch, einen Menschen auf Fehler der Vergangenheit festzunageln. Ich bin so froh, dass Jesus das nicht tut“, sagte Vieweger.

Der langjährige ProChrist-Redner Ulrich Parzany geht in einem Post auf Facebook ebenfalls davon aus, dass Rentzings Kritiker ihn als Bischof loswerden wollten. „Lassen wir uns nichts vormachen! Er wurde von Anfang an attackiert, weil er sich zur Gültigkeit und Autorität der Bibel als Gottes Wort bekannte und die Segnung oder Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnte“, schrieb Parzany.

Aufruf zur Mäßigung

Auch Helmut Matthies, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, stellte sich hinter Rentzing und betonte, der Bischof habe die Ansichten, die er „kritisch zur Demokratie und einer multikulturellen Gesellschaft äußerte, weder als Pfarrer noch als Landesbischof wiederholt“. Das Heft Fragmente habe auch nur von 1989 bis 1992 existiert. Gegenüber den Vorwürfen, dass Rentzing in der „Bibliothek des Konservatismus“ gesprochen habe und einer Verbindung angehöre, nahm Matthies Rentzing in Schutz. Matthies kritisierte zudem eine Doppelmoral, mit dem Kirchenleitende in der Öffentlichkeit gemessen würden. So hätten mehrere Kirchenleiter, die im kommunistischen Milieu aktiv gewesen seien, keine Konsequenzen fürchten müssen. Als Konservativer habe Rentzing innerhalb der EKD-Gremien auf einsamem Posten gestanden.

Rentzing ist formal noch im Amt, derzeit aber im Urlaub. Daher äußert er sich im Moment nicht selbst zu seinem Rücktritt. Die Kirchenleitung rief in ihrer Erklärung zu „Mäßigung in öffentlichen Stellungnahmen und zu einer geistlichen Haltung untereinander“ auf. Die Ereignisse zeigten die Zerwürfnisse innerhalb der Landeskirche und schwächten die „Kraft des Zeugnisses“ von der frohen Botschaft Jesu Christi.

Von: Jonathan Steinert

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