Der Israelkongress in Schwäbisch Gmünd am Wochenende drehte sich um das Thema „Israel – Licht der Welt?!“. Gottfried Bühler von der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ) forderte dort, dass Deutschland schon aufgrund seiner historischen Verantwortung Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkennen sollte. Denn die Deutschen hätten mit dem Holocaust die schlimmste Finsternis über das jüdische Volk gebracht. Er erzählte von der eigenen pro-israelischen Petition, welche die Christliche Botschaft in einem deutschen Ministerium abgegeben habe. Bislang seien nur Petitionen gegen Israel eingegangen, habe es dann aus dem Ministerium geheißen – „leider auch aus kirchlichen Kreisen“. Bühler forderte angesichts des Kongress-Mottos, dass die Christen in Deutschland für ihre Ideale einstehen müssen – wie das auch die erste christliche Gemeinde in der Apostelgeschichte getan habe.
Die christliche Araberin Sara Sakhnini, die mit ihren vier Söhnen und ihrem Ehemann in Nazareth lebt, berichtete auf dem Kongress von ihrer Arbeit mit beduinischen Frauen im Negev. „Das Wichtigste ist, dass ich das Licht des Herrn widerspiegele“, sagte sie. Vor 15 Jahre habe Gott sie aufgefordert, sich um diese Frauen zu kümmern. Eine der größten Herausforderungen sei dabei die Distanz. Von Nazareth zu dem vom Staat nicht anerkannten Dorf der Beduinen braucht Sakhnini drei Stunden mit dem Wagen.
Die illegal errichtete Ansiedlung, in der es keine Straßen gibt, liegt in der Nähe der israelischen Stadt Arad. In einem Gebäude eines Scheichs baute Sakhninis Organisation einen Kindergarten auf. „Die Frauen sind alle muslimisch und konservativ. Die Männer haben komplette Autorität über sie. Die meisten sind Analphabetinnen“, erzählte Sakhnini. Ihre Organisation packt gemeinsam mit anderen Einrichtungen Essenspakete für die Frauen. In Arad sammeln sie gespendete Kleidung in einem angemieteten Lagerraum. Den Frauen bringen sie Hebräisch bei, organisieren Fahrstunden und geben Nähunterricht. Am wichtigsten sei aber der Bibelunterricht. „Es ist eine wundervolle, aber auch anstrengende Arbeit, für die es viel Kraft braucht“, sagte Skhnini über ihr kleines Team mit zwei weiteren Mitarbeitern. Es funktioniere nur dank Gottes Segen.
Kritik an deutscher Berichterstattung über Israel
Israelnetz-Referent Egmond Prill hob in seinem Seminar „Israel, Europa und die Medien“ die Verantwortung und Macht der Presse hervor. Er kritisierte eine oftmals einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien über den Nahostkonflikt. So habe er den Eindruck, häufig stehe die Meinung schon fest: Israel kämpft als hochgerüsteter Riese Goliath gegen die Araber als kleinen David – die Juden sind Täter, die Palästinenser die Opfer.
Ein Punkt seines Vortrags war zudem die Haltung der Kirche. In Stellungnahmen zu Israel und dem Nahostkonflikt sei häufig der Vorwurf zu hören, Israel sei ein Apartheidstaat und besetze das Land der Palästinenser. Es werde jedoch nicht erklärt, dass es noch nie einen Staat Palästina gegeben hat. Prill kritisierte zudem, dass die Kirche oftmals die Israel-Boykottbewegung BDS unterstütze oder zumindest toleriere. Er wies darauf hin, dass der Bundestag diese Bewegung, die Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen den jüdischen Staat fordert, verurteilt habe. Von der Kirche hingegen vermisse er eine solche Erklärung.
Ein weiterer Gast des Israelkongresses war der Leiter einer messianischen Gemeinde in Jerusalem, Samuel Smadja. Seine Eltern sind aus Tunesien eingewandert. Smadjas Vater ist einer der Pioniere der messianischen Juden in Israel. Seine Sicht auf das Kongressmotto „Licht der Welt“ lautete am Donnerstag: „Israel ist berufen worden, den Nationen ein Licht zu sein. Nur wenn Israel den Messias der Welt bringt, kann es in Anspruch nehmen, das Licht für die Welt zu sein.“
„In einigen Lebensbereichen war Israel in den vergangenen 70 Jahren ein Licht. Wir sehen die Wiederbelebung der hebräischen Sprache. Das ist ein Wunder, dass heute Kinder in Israels Straßen Hebräisch sprechen“, sagte Smadja. Aber er forderte die Kongressbesucher zum Beten auf, dass Israel im vollem Umfang seine Bestimmung finde. Für ihn bedeutet das, nicht nur in Bereichen wie Wissenschaft oder Technik zu glänzen, sondern auch im Licht des Messias zu scheinen.
Gemeinsame Schabbatfeier mit Uschomirski
Gemeinsam feierten die Kongressbesucher am Freitagabend Schabbat. Der Theologe Anatoli Uschomirski sprach anschließend mit Referent Egmond Prill auf der Bühne über seine jüdisch-ukrainische Identität, den Antisemitismus in der Sowjetunion und die Frage, inwieweit Versöhnung oder das Miteinander der deutschen und jüdischen Generation nach der Holocaust-Katastrophe möglich ist. Es war ein ebenso nachdenklicher wie stimmungsvoller Ausklang des Abends.
Bibel mit der jüdischen Brille lesen
Der Theologe Guido Baltes, der aus der Gemeinde des Marburger Christustreffs kommt, regte am Samstagnachmittag die Besucher seines Seminars an, die Bibel auch durch die jüdische Brille zu betrachten. Eine seiner Thesen lautet, dass das Bild vieler Menschen durch 2.000 Jahre christlicher Judenfeindschaft getrübt sei. Das sei ein verzehrtes, vom Antisemitismus geprägtes Bild.
Gottesdienste funktionierten laut Baltes heute häufig nach dem Prinzip, dass der Pfarrer in der Predigt sage, so hätten es die Juden geglaubt. Dann erklärte er, wie es Jesus anders machte. Als Beispiel nannte Baltes die Rolle der Frau zu Lebzeiten Jesu. Im alten Judentum habe die Frau nicht viel gegolten, das Judentum sei eine Männergesellschaft gewesen. Jesus aber hätte die Männer und Frauen dann gleich behandelt. Dieser Distanzierung vom Judentum widersprach Baltes. Jesus habe nicht gleich viele Jünger und Jüngerinnen gewählt. Der Theologe wies darauf hin, dass dies keine Besonderheit im Judentum war, sondern die Rolle der Frau in den damaligen Kulturen ähnlich war. Baltes regte deshalb an, biblische Texte mit Hintergrundwissen aus dem Judentum achtsamer zu lesen und zu unterscheiden, was tatsächlich im Text stehe oder hineininterpretiert werde.
Musikalisches Highlight Jontef
Am Samstagabend sorgte die Tübinger Band „Jontef“ für beste Stimmung im Forumssaal des Schönblicks mit einem Best-of ihrer jiddischen Songs der vergangenen 30 Jahre. Von heiter beschwingt über entspannt jazzig bis melancholisch nachdenklich reichte das leidenschaftlich und gekonnt vorgetragene Repertoire des Klezmerquartetts. Der kulturelle Abend wurde durch die Bildinterpretation des Schönblick-Geschäftsführers Martin Scheuermann von Chagalls „David und Bathseba“ abgerundet, wo es um die Frage nach dem menschlichen Umgang mit Schuld ging.
Im Abschlussgottesdienst am Sonntagmorgen predigte Theologe Guido Baltes, der Dozent am Marburger Bibelseminar ist, über das Thema „Ihr seid das Licht der Welt – Gottes Volk aus Juden und Nichtjuden“. „Es geht um unsere Aufgabe und unsere Wirkung, die wir als Jünger in der Welt haben“, sagte Baltes. Er erinnerte daran, dass Jesus den Satz „Ihr seid das Licht der Welt“ in seiner Bergpredigt am See Genezareth sagte. Baltes zeigte ein neu gefundenes Mosaik von der Stadt Hippos, auf dem Brot und Fische zu sehen sind. Ein älteres Mosaik zur Brotvermehrung Jesu sei auf der anderen Seite des Sees gefunden worden, führte er aus. „Schon damals hatte Jesus Nachfolger, die Juden und Nichtjuden waren. Beide Seiten brauchen Jesus und würden durch ihn zum Licht der Welt“, sagte Baltes.
Den Israelkongress in Schwäbisch Gmünd besuchten am Wochenende vom 19. bis 22. September inklusive der geladenen Gäste rund 400 Menschen. Die Christliche Medieninitiative pro, zu der auch das Christliche Medienmagazin pro gehört, war einer der Mitorganisatoren.
Von: Michael Müller und Dana Nowak