Die öffentlich-rechtlichen Medien in Europa stehen vor großen Herausforderungen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Universität Oxford und des Reuters Institute for the study of journalism. Darin haben die Forscher öffentlich-rechtliche Medien aus acht europäischen Ländern miteinander verglichen. Die Ergebnisse sind besorgniserregend – vor allem für Deutschland.
ARD, ZDF und das Deutschlandradio erhalten demnach mit 112 Euro je Einwohner die mit Abstand höchsten Gebühren. Nur die britische BBC (102 Euro) kann noch einigermaßen mithalten, die finnischen Öffentlichen erhalten 86 Euro. Die französischen Medien france tv und radio france müssen sich mit 57 Euro begnügen, gut der Hälfte des Rundfunkbeitrags der Deutschen also.
Jüngere schalten kaum ein
Doch diese üppige Ausstattung führt laut der Studie noch nicht automatisch zum Erfolg. Vor allem zwei Gruppen erreichen die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland mit ihren Nachrichtenangeboten kaum: jüngere Leute und Menschen, die sich selbst als rechts der Mitte sehen.
Die europäischen Kollegen haben ähnliche Probleme wie ARD, ZDF und Deutschlandradio. Zwar erreichen die deutschen Sender wöchentlich noch 52 Prozent der Über-55-Jährigen, aber nur sechs Prozent der 18- bis 24-Jährigen. Oder anders ausgedrückt: 94 Prozent in dieser Altersklasse hatten in der Woche der Befragung keine Berührungspunkte mit öffentlich-rechtlichen Sendern. In anderen Ländern sind die Zahlen bei den jüngeren Menschen nur geringfügig höher.
Auf Anfrage der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) kritisierte die ARD die Studie des Reuters Institute. Die dritten Programme und Onlineangebote würden in der Studie des Reuters Institute nicht berücksichtigt. Allerdings scheint dies nicht ganz zu stimmen: Laut Studie sind die regionalen Hörfunkanstalten der ARD wie Bayern 1, SWR 3, WDR 2 oder NDR 2 unter dem Schlagwort „öffentlich-rechtliche Radionachrichten“ ebenfalls abgefragt worden, auch wenn die dritten TV-Programme nicht vorkommen. Darüber hinaus gab die ARD an, laut der „ARD-Akzeptanzstudie“ des GfK-Insitutes 94 Prozent aller Bürger zu erreichen. Diese Zahl bezieht sich allerdings auf alle Angebote der ARD, nicht nur auf Nachrichten. Immerhin fragte die GfK-Studie, wie viele Menschen die ARD-Angebote für „aktuelle politische Information“ nutzten. Das waren 75,4 Prozent. Allerdings wurden dafür nur Bürger ab 18 Jahren gefragt. Wie hoch der Anteil jüngerer Menschen daran ist, verrät die Studie nicht.
Was aus deutscher Sicht bei der Erhebung heraussticht, ist, dass die hiesigen Sender überwiegend das Publikum aus dem politisch linken Spektrum erreichen. Die Mitte wird nur gestreift, rechts der Mitte gaben hingegen kaum Zuhörer und Zuschauer an, in der vergangenen Woche Nachrichten eines öffentlich-rechtlichen Senders konsumiert zu haben.
Nur eine Teilerklärung dafür bietet die Art, wie die Forscher die politische Einstellung ermittelt haben: Von den befragten Deutschen bezeichneten sich 215 als „links“, 1.146 als „mittig“ und nur 111 als „rechts“. In den anderen sieben Ländern bezeichneten sich im Schnitt etwa doppelt so viele Menschen als „rechts“. Möglicherweise liegt dies daran, dass „rechts“ in Deutschland häufig als Synonym für „rechtspopulistisch“ oder gar „rechtsradikal“ gilt. Nur wenige Menschen wollen sich daher „rechts“ verorten. In anderen Ländern scheint eher die klassische Definition zu gelten, wonach auch normale Konservative, etwa hierzulande die Anhänger der Unionsparteien, als rechts der Mitte gelten. Seinen Ursprung hat die Einteilung in das Links-Rechts-Schema im Parlament, in dem in der Regel die progressiven Kräfte links, die konservativen rechts sitzen – vom Präsidenten aus gesehen.
Und doch kann dieses begriffliche Problem nicht ganz erklären, warum die deutschen Öffentlich-Rechtlichen hauptsächlich das linke Spektrum erreichen. Denn zum Vergleich fragten die Forscher auch nach der Wirkung von privaten Sendern. Für Deutschland hatten sie RTL und n-tv ausgewählt. Diese beiden Sender erreichen demnach fast ausschließlich politisch eher rechts eingestellte Menschen. In der Grafik der Studie gibt es keine Schnittmenge mit den Öffentlich-Rechtlichen.
BBC macht es besser
Dieser Befund sollte den Verantwortlichen von ARD, ZDF und Deutschlandradio zu denken geben. Denn eigentlich wollen und sollen die öffentlich-rechtlichen Sender eine Vielfalt an politischen Meinungen abbilden und damit weiten Teilen der Gesellschaft ein mediales Zuhause bieten. Mit einem viel diskutierten Framing-Manual wollte die ARD sogar sprachlich professionell daran feilen, wie sie sich als Allen gehörendes Gesellschaftsprojekt präsentieren könnte. Heraus kam dabei unter anderem der Satz: „Wir sind deins.“
Den französischen Kollegen attestieren die Forscher einen ähnlichen Linksdrall, nur das Publikum des griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist noch deutlich stärker links eingestellt. Hingegen schaffen es einige europäische Kollegen, ein breiteres politisches Spektrum zu erreichen. Neben denen in Spanien und Finnland sind dies auch der italienische Sender Rai und die britische BBC. Dabei haben diese Länder mit deutlich stärkerer Polarisierung durch Rechtspopulisten zu kämpfen als andere. Laut NZZ ließ die ARD-Pressestelle die Frage unbeantwortet, wieso die BBC im Gegensatz zur ARD für Menschen aus verschiedenen politischen Lagern attraktiv ist“.
Interessanterweise sind die deutschen öffentlich-rechtlichen Medien trotzdem erfolgreich, wenn es darum geht, Populisten insgesamt zu erreichen. Hier unterscheiden die Forscher von Reuters und der Universität Oxford allerdings nicht zwischen linken und rechten Populisten. Stattdessen sollten die Befragten zu zwei Aussagen Stellung nehmen: „Bei allen wichtigen Entscheidungen sollte das Volk befragt werden“ und „Den meisten gewählten Amtsträgern ist es egal, was Menschen wie ich denken“. Wer beiden Thesen eher oder voll zustimmte, gilt in der Studie als populistisch – in Deutschland war es deutlich mehr als die Hälfte.