Hassrede, aggressive Sprache, verbale Angriffe sind das Gegenteil von einem positiven Frieden. Von einem Frieden also, der nicht nur davon geprägt ist, dass kein Krieg herrscht, sondern wo Gewalt durch die gesellschaftlichen Gegebenheiten verhindert wird. Das machte die Amerikanerin Georgette Bennett, Präsidentin des Tanenbaum Zentrums für Interreligiöse Verständigung, bei der Weltkonferenz von „Religions for Peace“ in Lindau deutlich.
Bennett sprach von einer „Bewaffnung der Sprache“ und erklärte, verbale Gewalt gehe häufig tätlicher Gewalt voraus. „Zuerst kommt Dehumanisierung“, indem nicht mehr von Menschen oder Gruppen als Menschen gesprochen werde, sagte die Soziologin. Dann sei es ein kleiner Schritt von einer „hasserfüllten Karikatur“ bis zu einer Gewalttat. Das zeige sich an vielen Beispielen in den USA, etwa beim Ku-Klux-Klan, bei Neonazis oder am Antisemitismus, aber auch in der Weltgeschichte. So sei einzelnen Bevölkerungsgruppen bei den Massakern und Völkermorden in Bosnien und in Ruanda auch vorher verbaler Hass entgegengeschlagen. Heute sei eine solche Sprache in der Antiflüchtlings-Rhetorik zu beobachten.
Es sei notwendig, dass diejenigen, die für Respekt gegenüber anderen einstehen, auf Plattformen wie den Sozialen Medien aktiv seien, um den hasserfüllten und aggressiven Äußerungen etwas entgegenzusetzen. Vor allem religiöse Leiter nahm Bennett in die Pflicht: Sie hätten als moralische Autoritäten eine besondere Verantwortung dafür.
Mit Fakten gegen die Angst
Bennett erklärte, dass sogenannter Hassrede oftmals Ängste zugrunde lägen. Als Beispiele nannte sie auf Nachfrage von pro in Bezug auf Migranten etwa die Angst, von Menschen überrannt zu werden, die anders sind. Es gebe auch ökonomische Ängste oder die Angst davor, den eigenen sozialen Status zu verlieren. „Man muss sehr genau hinhören, was diese Ängste sind, um darauf antworten zu können und um den Prozess des Hasses umzukehren.“ Sie kritisierte, dass die aktuelle Politik in den USA sich Ängste und Missinformationen zu Nutze mache, statt auf Fakten aufzubauen. Daher müssten auch religiöse Verantwortungsträger dazu beitragen, Fakten bekannt zu machen.
So habe die Angst vor Muslimen und Flüchtlingen vor allem zu tun mit der Angst vor Terrorismus, erklärte Bennett. Jedoch zeige die Statistik, dass die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag eines Flüchtlings zu sterben, viel geringer ist als die, durch einen gebürtigen Amerikaner ermordet zu werden.
Bennett ist Präsidentin und Gründerin des Tanenbaum Zentrums für Interreligiöse Verständigung in New York. Als Witwe des 1992 verstorbenen Rabbis Marc H. Tanenbaum setzte sie damit sein Bemühen um interreligiösen Dialog, Menschenrechte und humanitäre Hilfe fort.
Von: Jonathan Steinert