Ein eng gefasster politischer und gesellschaftlicher Mainstream drängt kritische Stimmen an den Rand und lässt sie abseitiger erscheinen, als sie vielleicht sind. Diese These stellt der Jurist und Schriftsteller Bernhard Schlink in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) auf. „Je enger der Mainstream geführt wird, desto mehr Meinungen fallen aus ihm heraus“, schreibt er. Unter anderem eine als alternativlos dargestellte Politik sei dafür verantwortlich, dass die Rechten gestärkt würden.
Es beginne bei „der eigentümlichen Sorge“, dass „Meinungen ansteckend“ seien. Wenn man rechte Stimmen zu Wort kommen lasse, habe man Angst, Einrichtungen oder Verlage würden mit ihnen identifziert. Schlink nennt als Beispiele, dass sich der Suhrkamp-Verlag öffentlich von seinem Autor Uwe Tellkamp distanzierte, nachdem sich dieser über Flüchtlinge geäußert hatte; die Universität Siegen distanzierte sich öffentlich von dem Professor, der Thilo Sarrazin für sein Seminar eingeladen hatte. Man habe Angst, es beschädige das eigene Ansehen, Meinungen abseits des Mainstreams zu Wort kommen zu lassen. Dabei verstehe es sich von selbst, dass ein Verlag nicht mit allem übereinstimme, was seine Autoren äußerten und Universitäten nicht mit allem konform gingen, was ihre Gäste sagten.
Politik zeigt keine Alternativen auf
Die Engfassung des politischen und gesellschaftlichen Mainstream rühre aus der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands her. Diese Vergangenheit „war nicht nur eine politische und rechtliche, sondern auch eine moralische Katastrophe“, schreibt Schlink. Diese Erkenntnis habe auch die Grenze des Mainstreams „von früh an moralisch konnotiert“.
Die Politik verstärke diesen Mainstream dadurch, dass sie Kritikern keine Alternativen biete und keine Kontroverse mehr kenne. Der Wechsel zum Euro, die Osterweiterung der Europäischen Union oder das korrekte Verhalten in der Flüchtlingskrise seien den Bürgern als alternativlos präsentiert worden. Zudem glichen sich die Parteien in ihren Positionen immer weiter an. Schlink spricht zum Beispiel von einer „sozialdemokratisch gewordenen CDU“. Er stellt fest: „Weil die Entscheidungen alternativlos waren, kam die Kritik, die aus der Gesellschaft kam, in den Ruch des Querulatorischen.“ Mit seiner Meinung aus dem Mainstream herauszufallen, führe zu Erbitterung und zu dem Gefühl, „überfahren“ worden zu sein. Das habe schließlich zur Stärkung der politischen Rechten wie der AfD geführt.
Kommunikation nicht verweigern
Der Mainstream habe daraufhin reagiert, indem die Stimmen der Kritiker pauschal als „rechte Themen“ eingeordnet wurden. Und solche könne man erst recht nicht mehr diskutieren.
Schlink fordert, der Mainstream müsse sich auf das rechte Spektrum einlassen, um es nicht weiter zu isolieren. „Er muss mit ihm kommunizieren.“ Dabei müsse natürlich auf die Einhaltung von Formen und Verfahren geachtet werden: Niemand dürfe beleidigt oder verleumdet, der Staat nicht verunglimpft und nicht gegen Gruppen gehetzt werden. Es dürften keine Straftaten gegen den demokratischen Rechtsstaat und die öffentliche Ordnung begangen werden. Es gehe darum, den anderen ausreden zu lassen und nicht niederzuschreien. Wenn das gewährleistet sei, gebe es keinen Grund, die Kommunikation mit den Rechten zu verweigern, nur weil sie Rechte seien.
Von: Swanhild Zacharias