Es war mitten in der Nacht. Für uns Kinder war die Situation in jeder Hinsicht einmalig: ungewöhnlich, unbegreiflich und für immer unvergesslich. Die Erinnerungen an diese Nacht sind schemenhaft und voller Lücken. Genau fünf Jahrzehnte sind vergangen, als mein Vater in den frühen Morgenstunden des 21. Juli 1969 in unser Kinderzimmer kam. Die Vorfreude auf diesen Augenblick war riesengroß gewesen. Doch als er uns aufweckte, waren wir quengelig. Aber das war schnell verflogen. Im Schlafanzug saßen wir im Wohnzimmer auf kleinen Baststühlchen; vor uns dieses walnussbraune Kleinmöbel auf vier Beinen, dessen Lamellen-Rollo meistens geschlossen war. Jetzt aber war der Laden geöffnet, und alle schauten gebannt auf die gewölbte, flimmernde Schwarz-Weiß-Mattscheibe von Blaupunkt.
Um genau 3.56 Uhr deutscher Zeit waren wir gemeinsam mit mehr als einer halbe Milliarde Menschen auf der Welt Augenzeugen, als der Amerikaner Neil Armstrong in 384.000 Kilometern Entfernung als erster Mensch seinen Fuß in den Mondstaub setzte. Die Mondlandung 1969 war eines der ersten globalen Medienereignisse. Uns war es egal, dass die flackernden Bilder unscharf waren und – ganz ehrlich – eigentlich gar nichts zu erkennen war. Für einen Fünfjährigen waren die von Piepsern unterbrochenen krächzenden Mond-Grüße und die metallisch klingenden NASA-Sprachfetzen aus Houston völlig unverständlich. Aber alles klang sehr wichtig. Und auch, wenn man als kleiner Steppke noch keine Worte dafür hatte, war klar: Hier war etwas Großartiges geschehen. Die Stimmung an diesem frühen Montagmorgen war euphorisch und begeistert. Ein Mensch auf dem Mond – man war so stolz darauf, was technischer Fortschritt alles möglich macht.
„Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes“
„Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“ – diese Worte, die Neil Armstrong damals sprach, haben sich für immer ins kollektive Gedächtnis der Menschheit eingebrannt. Und Edwin Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond, sprach aus, was alle bestätigten, die jemals ihre Füße in den feinen, pulverisierten Gesteinsstaub des Mondes setzten. Als er den Blick bei 130 Grad Außentemperatur hob und über die leblose Staub-, Geröll- und Kraterlandschaft schweifen ließ, sagte er ehrfurchtsvoll: „Was für eine überwältigende, trostlose Weite.“
All jene, die vom Raumschiff aus quasi hinterm Mond auf die aufgehende Erde überm Horizont blicken konnten, beschrieben den fernen, nahen Heimatplaneten als blau-türkis schimmernden, verletzlichen Edelstein vor schwarzem Himmelsfirmament. Aldrin, dessen irdisches Leben vielfach nicht nach christlichen Maßstäben verlief, setzte klare Prioritäten, als die Apollo-Landefähre „Eagle“ auf dem Mond aufgesetzt hatte. Noch bevor er ausstieg, nahm er ganz für sich einen kleinen Abendmahlskelch, dazu Brot und Wein und feierte die Heilige Kommunion. Still las er im Johannes-Evangelium.
Wernher von Braun (1912-1977), der deutsche Entwickler der gigantischen Mondrakete „Saturn V“, war zeitlebens umstritten: Als junger Mann hatte er für Adolf Hitler „Wunderwaffen“ gebaut, wobei tausende Zwangsarbeiter ums Leben kamen. Er galt als genialer Organisator, auch als Aufschneider. Sein Grabstein in Alexandria/Virginia zeigt auch eine demütige und gottesfürchtige Seite: Neben einer Raketen-Plakette und einem Apollo-Wappen steht aus Psalm 19: „Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet seiner Hände Werk.“