Es ist sein eigenes Blut, mit dem Angelo Nero diesen Vertrag unterzeichnet. Der damals 14-jährige Schweizer fordert in dem Schriftstück Macht und Anerkennung von niemand geringerem als Satan selbst. Nero bietet ihm im Gegenzug seine Seele an: „Ich habe meine Seele mit dem Blutpakt dem Teufel verkauft.“
Schon als Kind hatte er ein Faible für die bösen Charaktere in Geschichten. In „Der König der Löwen“ faszinierte ihn der hinterlistige Löwenonkel Scar, der seinem Bruder den Erfolg neidet und letztlich dessen Tod verursacht. Schon bevor Nero ins Teenageralter kam, begann er, sich mit Okkultismus zu beschäftigen, legte Tarot-Karten und pendelte. Nach einem schweren Schicksalsschlag entschied er sich ganz bewusst für den Satanismus.
Auch wenn seine Mutter und sein Vater nicht wussten, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat, so hatten sie doch eine Vorahnung. Nero stammt aus einem christlichen Elternhaus. In der Sonntagsschule hörte er Geschichten über den „liebenden Gott“, den Gott, „der für mich sorgt“. Stets sei ihm gesagt worden: „Steh zu deinem Glauben.“ Das habe er gemacht und diesen in der Schule offen kommuniziert – und erntete dafür Spott und Prügel. Seine Mitschüler mobbten ihn. Als er Gott darum bat, dass die Schikane aufhöre, sei nichts passiert. „Ich habe keine Hilfe erfahren, die ich als Kind erwartet hätte.“ Mit zehn Jahren dachte er über Selbstmord nach: „Ich stand am offenen Fenster und überlegte mir, zu springen, damit das aufhört, weil ich nicht wusste, wie der nächste Tag in der Schule werden würde.“ Als die Schwester an Lungenkrebs erkrankte, betete die ganze Familie für Heilung und ein Wunder. So auch Nero: „Ich glaubte fest daran, dass Gott ein Wunder tut. Aber sie ist an der Krankheit gestorben.“ Das war für den Bruder zu viel. Er sagte: „Gott, du hilfst mir ja sowieso nicht. Von dir will ich nichts mehr wissen.“ Mit dem Blutpakt vollzog er den Schritt in den Satanismus und begann, satanistische Rituale zu praktizieren.
„Der Teufel so real wie Gott“
„Ich wollte Macht und Respekt vom Teufel.“ Und er empfand damals auch, beides zu erhalten. Die Menschen aus seinem Bekanntenkreis sahen ihn nun mit anderen Augen, respektierten ihn, so Neros Eindruck. Er wollte geachtet werden. Wenn ihn jemand kritisierte oder in seinem Stolz verletzte, rächte sich Nero an der Person. Er führte Rituale durch, belegte die Person mit einem Fluch. Nero redete sich ein, dass der Teufel sein Freund sei. Er sagt: „Für mich ist der Teufel so real wie Gott.“
Neros Eltern beteten in ihrer Kirchengemeinde für ihn. Sie alle wussten, dass er Okkultist war. Dass er Satanist war, ahnten sie, erklärt Nero. Dennoch setzten Gemeindemitglieder die Eltern unter Druck: Euer Sohn ist Satanist, den müsst ihr auf die Straße setzen. Ihr könnt nicht mit ihm unter einen Dach leben. „Meine Mutter sagte immer: ‚Nein, das ist mein Sohn. Egal was er tut, ich stehe zu ihm. Und solange er in meinem Haus wohnt, weiß ich, was er tut.‘ Dafür bin ich ihr sehr dankbar.“ Die Mutter redete offen mit Nero über dessen Glauben. Er dürfe zu Hause bleiben, aber keine Rituale im Elternhaus durchführen. „Ich habe ihr das versprochen. Natürlich habe ich mich nicht dran gehalten“, sagt er rückblickend. Doch keines der Rituale, die er im Haus ausprobiert habe, funktionierte. „Das hätte mir vielleicht auch schon die Augen öffnen sollen.“
Fluch erfolglos
Neros bester Freund war Christ. Trotz des Glaubensunterschiedes habe die Freundschaft funktioniert. „Ich hatte Respekt vor ihm, er hatte Respekt vor mir, alles war auf einer freundschaftlichen Basis.“ Doch dann verliebten sich beide in dasselbe Mädchen. Der Freund eroberte sie letztendlich. „Ich war gewohnt, zu kriegen, was ich wollte.“ Er verfluchte die sozialen Kontakte des Mädchens. Und er fasste den Entschluss, seinen besten Freund zu verfluchen.
Er bereitete den Fluch und das Ritual dazu vor. Es sollte mitten in der Nacht an einem Weiher passieren. Er hatte einen Gegenstand in der Hand, der als Opfergabe dienen sollte. Was es war, möchte Nero nicht sagen. Erst kurz vor dem Abschluss des Rituals packte es ihn: „Was mache ich hier eigentlich? Es ist mein bester Freund, den ich hier verfluchen will! Das ist nicht richtig.“ Während ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, wollte er das Ritual abbrechen. In diesem Augenblick spürte er, wie sich der Gegenstand in seiner Hand regte, „obwohl das rational nicht möglich war“. Vor Schreck warf er das Opfer weg – und es flog ins Feuer. „Damit wurde das Ritual quasi abgeschlossen.“ Nero erinnert sich: Er merkte in dem Moment, „wie sich das ganze Böse, das ich beschworen hatte, um mich herum gesammelt hatte und wie es anfing, sich gegen mich zu kehren – aus dem Grund, weil ich aufhören wollte“. Er analysiert im Rückblick: „Vielleicht war es wirklich da, vielleicht habe ich mich in etwas hineingesteigert.“ Für ihn sei es in diesem Moment „sehr real“ gewesen: „Die Angst, die ich empfand, war Todesangst. Ich sah Schatten, die sich bewegten, Augen, die mich angestarrten, nahm Bosheit wahr.“ In Todesangst sei er aus dem Wald geflohen. In diesem Moment habe er erkannt: „Die ganze Kontrolle, die ich glaubte zu haben, war eine Lüge und eine Illusion. Und sobald ich nicht mehr mitspiele, dreht sich das Böse gegen mich.“ Damals, im Alter von knapp 20 Jahren, sei ihm das zum ersten Mal klar geworden: „Ich habe mich von meinen Dämonen versklaven lassen.“
„Mein ganzes Leben bestand nur noch aus Hass. Es gab nichts Gutes mehr.“
Er beschloss, aufzuhören, warf alle Bücher und Ritualgegenstände auf einen Haufen und zündete sie an. Im ersten Moment fühlte er sich erleichtert. Doch nach und nach empfand er, wie all der Respekt und die „Angst, die ich mir erarbeitet habe, von meinem Umfeld, von meinen Arbeitskollegen, von meinen vermeintlichen Freunden, verloren ging“. Plötzlich sei er wieder „nur das Opfer“ gewesen, „weil sie wussten: der macht nichts mehr“. Und so sah er sich wieder an dem Punkt, an dem er früher war. In einem Traum habe ihm der Teufel gesagt: Du kommst von mir nicht los. Und so geriet Nero erneut in den Teufelskreis – dieses Mal schlimmer als zuvor.
Ihm wurde schlecht, wenn er sich im Spiegel sah, „weil mir klar wurde, was aus mir geworden war. Mein ganzes Leben bestand nur noch aus Hass, Wut, Zorn und Rache, Vergeltung. Es gab nichts Gutes mehr in meinem Leben.“ Er merkte, dass er nicht mehr weiter kam. Das Leben schien ihm sinnlos zu sein. Er ging auf eine Brücke, kletterte über das Geländer, wollte sich das Leben nehmen und war kurz davor, zu springen. In diesem Zerbruch kamen ihm seine christlichen Wurzeln in den Sinn. „Ich erinnerte mich an einzelne Glaubenssätze meiner Kindheit: Gott ist ein gnädiger Gott. Jesus ist für meine Sünden gestorben und bereit, mich wieder zu sich zurückzuholen. Der verlorene Sohn.“ In diesem Moment – mitten in der Nacht – kletterte er über das Geländer zurück, fiel auf der Brücke auf seine Knie und rief in den Himmel: „Gott, wenn du da bist – und wenn du noch irgendetwas mit meinem Leben machen kannst, dann tu etwas. Egal was.“ Und es passierte … gar nichts. „Keine Stimme vom Himmel, kein Licht, kein Blitz, gar nichts. Ich dachte: ,Das ist ja wieder typisch!‘ Aber ich merkte, wie es in mir wieder leichter wurde.“ Der Gedanke, sein Leben zu beenden, war weg. Er ging nach Hause.
Zum Jugendcamp mit kopfstehendem Kreuz
Wenige Tage danach rief ihn ein früherer, gläubiger Schulfreund an, den Nero seit vielen Jahren nicht gesehen hatte, und von dem er nicht einmal wusste, dass dieser seine Telefonnummer hatte. Der sagte: „Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass ich dich anrufen muss. Wie geht’s dir so?“ Sie tauschten sich ein wenig aus, schließlich fragte er Nero, ob er mit ihm in ein Feriencamp der Kirche für junge Erwachsene fahre wolle. Er dachte: „Christen, das muss nicht sein!“ Doch er hatte den Willen, dass sich etwas ändern sollte. Und da müsse er seinen Teil dazu beitragen. Nero sagte zu. Je näher das Camp kam, desto weniger wollte er mitfahren. Zum Treffpunkt kam er im langen schwarzen Mantel, mit weiß geschminktem Gesicht wie Marylin Manson, mit Klauenringen und einem kopfstehenden Kreuz – „das ganze Programm“. Doch anstatt ihn nach Hause zu schicken, rannte einer der Jungen auf Nero zu, nahm ihn in den Arm und sagte: „Schön, dass du da bist.“ Er dachte sich, gegen „die geballte Ladung Nächstenliebe kannst du machen, was du willst“. Und so fuhr er mit. Er habe provoziert, wo er konnte. Wenn die Gruppe vorm Essen betete, sei er demonstrativ aus dem Raum hinausgegangen, er habe „geraucht wie eine Lokomotive“, versucht, die Gruppe zu reizen – ohne Erfolg.
Bei diesem Camp habe er „Christen von einer anderen Seite erlebt“. Wenn er sonst durch die Straßen Zürichs lief, zeigten Menschen auf ihn und riefen: „Du kommst in die Hölle! Du brennst im Höllenfeuer!“ Diese Szenarien prägten Neros Bild von Christen. Nun erlebte er im Ferienlager etwas anderes. Keiner habe versucht, ihn zu verändern oder ihn zu bekehren. Nach dem Camp lud ihn sein Freund in die Kirche ein, das Christliche Zentrum Bucheck in Zürich, eine große Pfingstgemeinde. Etwas widerwillig sagte er zu.
Wieder mit schwarzem Ledermantel, aber dieses Mal ohne Schminke und Kreuzkette, versteckte er sich an dem Sonntag in der Kirche in der letzten Reihe. Nach einigen Liedern sprach der Prediger auf der Bühne zu den Gottesdienstbesuchern. Während der Predigt zeigte er auf Nero und sagte: „Auch du kannst Rettung erfahren. Auch dir kann vergeben werden.“ Nero lief es kalt den Rücken runter. Er stand auf und „floh“ aus dieser Kirche, erinnert er sich. Er war sauer auf den Prediger. Nach dem Gottesdienst regte sich Nero bei seinem Freund energisch über den Prediger auf. „Was erlaubt der sich!“ Das ging eine ganze Weile. Als er fertig war, sagte sein Freund aus dem Nichts: „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du jetzt dein Leben Jesus übergibst.“ Doch anstatt abzulehnen, sagte Nero Ja. Der Freund holte noch einen Freund dazu. Dann beteten sie zu dritt. „Wir haben den Pakt gebrochen.“ Es sei „ohne das ganze Hollywood-Zeug“ passiert, aber Nero fiel es sehr schwer, den Namen Jesus auszusprechen, und ihn um Vergebung zu bitten. „Aber als es dann auf einmal raus war, ging es mir relativ locker von den Lippen. An diesem Abend habe ich komplette Befreiung erfahren. Ich wurde ein anderer Mensch.“ Ein halbes Jahr später ließ er sich taufen.
Drohungen nach Ausstieg
Das ist ungefähr zehn Jahre her. Seitdem lebt Nero als Christ: „Ich weiß, ich lebe für Jesus.“ Sein Leben sei komplett anders geworden. Es sei extrem gewesen, welche Veränderung allein an dem Abend des Übergabegebets stattfand. Es war aber ein Prozess. Nicht alles änderte sich von heute auf morgen. Aber die „grundsätzliche Befreiung fand an diesem Abend statt. Es war wirklich Freiheit, die ich erfahren durfte“.
Als sich Nero zu Jesus bekehrte, wurde dies in der Satanistenszene bekannt. Er ist zeitweise bedroht worden. Nero musste sich komplett von dieser Szene trennen. Ein Jahr lang habe er keine Metal-Musik gehört, sich nur noch weiß gekleidet. „Ich musste für mich einen klaren Schnitt haben.“ Danach hörte er wieder Metal, zog sich auch mal wieder schwarz an. „Dieses Jahr brauchte ich, damit ich emotional nicht wieder zurückgezogen werde.“
Seine Geschichte schrieb Nero in der Biografie „Der Teufel war mein Freund“ auf. In seinem zweiten Buch „Schein und Heilig“ fordert er Christen auf, sich selbst den Spiegel vorzusetzen, nicht auf andere zu zeigen und dadurch Nächstenliebe zu leben. Seine Texte schreibt Nero nicht am Computer, sondern von Hand mit Feder.
Christliches in Fantasybüchern
Nero ist zudem Autor düsterer Fantasybücher, in denen er Gewaltszenen explizit in Bilder fasst. Er versuche aber stets, einen christlichen Grundgedanken mit hineinzugeben. Im aktuellen Buch „Feuer und Finsternis“ gibt es eine Szene, in der ein Vater seinem Sohn erklärt, wie man betet. Diese christlichen Inhalte sollen nicht dogmatisch und aufgesetzt wirken, sondern sich in die Geschichte einfügen. Durch die Bücher kommt Nero mit Lesern über die Inhalte ins Gespräch – und erreicht damit genau die Szene, in der er früher selbst aktiv war. Auch erzählt er in Schulen im Religionsunterricht seine Geschichte und gibt Hintergrundinfos, was Okkultismus und Satanismus sind. Die Schüler seien meist „sehr interessiert“ und arbeiteten aktiv mit. Blickt Nero heute auf die Zeit zurück, in der er sich von Gott entfernt hatte, sieht er: „Gott war immer bei mir und hat mich vor drei Sachen bewahrt: Ich habe nie ein Tieropfer gemacht, indem ich ein Tier getötet habe.“ Stattdessen ging er zum Metzger, bestellte sich mehrere Liter Stierblut oder einen Kuhschädel. Er hätte Probleme gehabt, sich das Töten eines Tieres zu verzeihen. Zudem habe er nie Drogen genommen. „In der Szene sind Drogen zur Bewusstseinserweiterung sehr verbreitet.“ Die Drogensucht hätte einen Ausstieg schwer gemacht. Auch habe Gott ihn davor bewahrt, sich einem Zirkel anzuschließen und durch Blutpakte an die anderen Mitglieder zu binden. Er arbeitete mit Personen aus satanistischen Zirkeln zusammen, aber er sei nie festes Mitglied gewesen. Somit musste er aus keinem Zirkel aussteigen.
„Als ich Christ geworden bin, habe ich ganz bewusst die Flüche, die ich ausgesprochen hatte, im Namen von Jesus gebrochen.“ Vor zwei Jahren traf er die Frau, mit der er zusammensein wollte, wieder. Er hatte ihre sozialen Kontakte verflucht. Nun ist sie glücklich verheiratet, Mutter von zwei Kindern. „Das ist schön zu sehen, dass Gott das gebrochen hat und es aufgehoben wurde.“ Ein Trost für Nero. Nero musste sich selbst und auch anderen vergeben, von denen er dachte, dass sie ihm etwas Schlechtes getan haben, damit er loslassen konnte. „Den Vergeltungsdrang hatte ich auch Jahre lang noch, nachdem ich Christ geworden bin. Immer, wenn mir jemand krumm kam, hatte ich ein Bedürfnis, mich zu rächen.“ Er hatte lange damit zu kämpfen, bis er an den Punkt kam, an dem er sagte: „Auch ich muss ganz bewusst vergeben.“
Heute ist er überzeugt: „Das, was Jesus von mir erwartet, ist, dass ich jeder Person mit Liebe begegne, egal ob sie Satanist ist oder nicht.“ Menschen mit Liebe zu begegnen, sei der springende Punkt.
Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 3/2019 des Christlichen Medienmagazins pro. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/5667752, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.
Von: Martina Blatt
2 Antworten
Ich kann das gut für junge Menschen verwenden.
Ich müsste meine Seele verkaufen