„Tabor ist eine Hochschule, die vom Glauben her die Welt gestalten will“, sagte Prorektor Frank Lüdke beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Evangelischen Hochschule (EH) Tabor in Marburg. Die EH sei pietistisch geprägt und sehe sich ganz bewusst als eine evangelische Hochschule. Christliche Gemeinschaft und wissenschaftliches Arbeiten gingen miteinander einher, damit die Studierenden und Absolventen „ein Segen für die Welt sein“ könnten.
Anfang des Jahres 2009 hatte die EH Tabor die Akkreditierung des Wissenschaftsrates zur staatlich anerkannten Hochschule erhalten. Zuvor war sie ein „Theologisches Seminar“ und die Absolvierenden hatten durch eine Kooperation mit der Middlesex Universität London einen europaweit anerkannten „B.A. in Theologie“ als Abschluss erhalten. Erst vor wenigen Tagen sei die staatliche Akkreditierung für fünf weitere Jahre verlängert worden, sagte Rektor Norbert Schmidt. Das sei „ein besonderes Geburtstagsgeschenk“.
Neue Wege beschreiten
Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, in dem auch die EH Tabor Mitglied ist, lobte in seinem Grußwort vor allem die innovativen Wege, die die EH Tabor in den vergangenen Jahren beschritten habe. Neben der staatlichen Anerkennung gibt es in Tabor seit 2016 über das Theologiestudium hinaus auch den Studiengang „Theologie und Soziale Arbeit“. Zwar stehe Tabor wie auch der Gnadauer Gemeinschaftsverband in der Tradition des Pietismus. Da sollten Aufbrüche selbstverständlich sein. Doch „das vergessen wir oft“.
Beim Beschreiten neuer Wege „gibt es Feuer von links und von rechts. Die einen fragen sich, ob man den richtigen Weg schon gefunden hat und die anderen, wann man ihn verlässt“. Er ergänzte: Die „Pluralisierung von Studiengängen“, wie sie zum Beispiel bei „Theologie und Soziale Arbeit“ der Fall sei, könne „als Abwertung von Theologie“ gesehen werden. „Aber es wird viel mehr ein Schuh draus, wenn man den christlichen Kontext in die Fragen unserer Zeit hineinstellt.“
Die EH leiste mit diesen neuen Wegen einen wichtigen innerchristlichen Beitrag. „Danke, dass ihr junge und motivierte Menschen ausbildet“, fügte Diener hinzu. Der Gnadauer Verband könne „gar nicht dankbar genug“ sein, Absolventen aus Tabor in seinen Kreisen zu haben. „Gnadau wäre sehr arm, wenn es eure theologischen Beiträge zu unserer Arbeit nicht gäbe“, sagte Diener außerdem mit Hinblick auf die wissenschaftliche Arbeit der Hochschule.
Dass Tabor „das sozialwissenschaftliche Besteck“ nutze und zum Beispiel auch Sozialraum-Analysen durchführe, finde er sehr wichtig, sagte Burkhard zur Nieden, Dekan der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck. „Nur so können wir Gemeinde Jesu klug bauen.“ Die Gesellschaft sei beim Thema Religion kaum noch sprachfähig. Religion werde oft als das Fremde oder Bedrohliche wahrgenommen. Anspruchsvoll auszubilden, differenziert zu denken, manche Dinge sein zu lassen und anderes frisch anzupacken, dazu seien Christen verpflichtet. „Die EH Tabor ist dazu bereit und fähig“, sagte zur Nieden. Es gehe darum, dem nachzuspüren, „was der Auftrag Gottes für uns in dieser Welt ist“.
Im Herbst 2020 wird an der Hochschule der neue Studiengang „Betriebswirtschaftslehre und christliche Ethik“ starten. Betreuen wird ihn Harald Jung, derzeit Professor für Ethik und Soziallehre an der Internationalen Hochschule Liebenzell. Der Theologe und Ökonom war vor seiner Hochschullaufbahn in einer Unternehmensberatung tätig. Die Verbindung von Theologie und Wirtschaft liege ihm am Herzen, sagte er.
„Hoffnungsvolle Menschen können etwas bewegen“
„Wir Christen neigen dazu, uns auf eine Insel zurückzuziehen.“ Doch als Christ habe man einen Auftrag über den persönlichen Bereich hinaus. Das gelte besonders in der Wirtschaft, die von Konkurrenzdruck geprägt sei. Man brauche dort, „einen festen Standpunkt“ und ein Wissen um das ethisch richtige Verhalten. Integrität und Standvermögen seien gefragt. „Unternehmer suchen Leute mit Fachkompetenzen, mindestens genauso stark ist aber die Frage nach der Persönlichkeit“, sagte Jung. Es sei wertvoll, wenn man im Studium auch über Ethik hat nachdenken dürfen. Zudem gebe es viele christliche Unternehmer, die durch ihre Mitarbeiter den Geist ihres Unternehmens erhalten wollten. Absolvierende des neuen Studienganges könnten in Unternehmen „ein Stück des Segens sein, der uns verheißen ist“.
Thorsten Dietz, Professor für Systematische Theologie an der EH, ermutigte dazu, den „Reichtum aus vielen wunderbaren Menschen“ an der Hochschule wahrzunehmen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu sehen. Schon Philipp Jacob Spener, Begründer des Pietismus, sei von Hoffnung erfüllt gewesen. „So kam ein neuer Protestantismus in die Welt: leidenschaftlich fromm und der Welt zugewandt.“ Wer hoffe, mache sich verletzlich und könne enttäuscht werden. Oft werde „der guten alten Zeit“ nachgetrauert. Doch nur hoffnungsvolle Menschen könnten Dinge bewegen, sagte Dietz. Ganz besonders, wenn sie auf Jesus Christus vertrauten. „Menschen können geduldig und gelassen mit der Zeit leben, wenn sie sich von etwas getragen fühlen, das stärker ist als die Zeit.“ Und wenn etwas Halt und Hoffnung gebe, dann sei es Jesus Christus. „Leben Sie weiter eine Nachfolge Jesu Christi voller Hoffnung“, sagte Dietz.
Von: Swanhild Zacharias