(Sprich-)Wörter für die Ewigkeit

Sehr viele Redewendungen und Sprichwörter, die wir im Alltag benutzen, stammen ursprünglich aus der Bibel. Die ZDF-Journalistin Petra Gerster und ihr Ehemann, der Theologe und Journalist Christian Nürnberger, haben in einem Büchlein 50 Redewendungen gesammelt und erklären ihren biblischen Ursprung. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
In ihrem Buch „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“ haben Petra Gerster und ihr Mann Christian Nürnberger fünfzig Redewendungen aus der Bibel gesammelt

„Nichts ist schwerer, nichts erfordert mehr Arbeit, mehr Kultur, mehr Zucht, als einfache Sätze unvergesslich zu machen.“ Dieser Satz stammt zwar nicht aus der Bibel, sondern vom Schriftsteller Kurt Tucholsky, aber er zeigt, welche Bedeutung die Bibel nach wie vor hat. Denn ob man sie nun liest oder nicht: Die meisten Menschen kennen Ausdrücke wie „jemanden auf den Händen tragen“, etwas „wie unseren Augapfel“ hüten oder „im Schweiße unseres Angesichts“ arbeiten. Dabei sind sie teilweise Tausende Jahre alt.

Petra Gerster, Fernsehjournalistin und Moderatorin, vor allem bekannt aus den heute-Nachrichten im ZDF, und ihr Mann Christian Nürnberger haben bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Mit „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“, erschienen in der Edition Chrismon, haben sie die Texte von drei Theologen herausgebracht, die sich mit Sprichwörtern aus der Bibel beschäftigen. Nürnberger ist Theologe und Journalist, der bereits für das Wirtschaftsmagazin Capital, die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit arbeitete. Die Autoren sind Klaus Jürgen Diehl, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, Ruprecht Veigel, der bis 2016 Mitarbeiter der Deutschen Bibelgesellschaft war, sowie Stefan Wittig, Pfarrer der Landeskirche Württemberg.

„Schwerter zu Pflugscharen“

Der biblische Ursprung der Redewendungen sind mal mehr, mal weniger bekannt. Gerster und Nürnberger schreiben in ihrem Vorwort: „Würde man in einer x-beliebigen Fußgängerzone x-beliebige Menschen raten lassen, seit wann das Sprachbild ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ in Deutschland in Gebrauch ist, würden vermutlich die meisten Passanten auf die friedensbewegten Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts tippen.“ Nur wenigen sei bewusst, dass wir den Ausdruck der Bibel zu verdanken haben. In Jesaja 2,4 kündigt der Prophet so das himmlische Reich Gottes an. Doch würden nicht die meisten denken, ein Sprichwort wie „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, entstamme dem Volksmund? In Wirklichkeit stammt es aus der apokryphen Schrift Jesus Sirach (Kapitel 27, Vers 26).

In jedem Kapitel wird ein Bibelwort kurz vorgestellt, wie es verstanden wird und wie es ursprünglich in der Bibel verwendet wurde. Dazu gibt es ein Foto, das thematisch passt. Das titelgebende Zitat „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“ stammt aus 2. Mose 7,3. Dort kündigt Gott an: „Aber ich will das Herz des Pharao verhärten und viele Zeichen und Wunder tun in Ägyptenland.“ Ebenso stammt der Ausdruck „Ein Land, wo Milch und Honig fließt“ aus demselben Buch und kündigt hier das Ende der Sklaverei für das Volk Israel an. Er wird in der Bibel zweiundzwanzigmal verwendet, klären die Autoren auf.

Im Kapitel „Wie die Jungfrau zum Kind“ schreiben die Autoren: „Der biblische Bericht von der Jungfrauengeburt der Maria ist bis heute für viele Menschen so unglaubwürdig, dass sie ihn nicht fassen können. Daher spielen wir mit dem Spruch bis heute überrascht und erstaunt auf ein Ereignis an, gegen das eigentlich jede menschliche Erfahrung spricht und das dann trotzdem wahr ist. Es ist zu wünschen, dass auch wir vernunftorientierten Menschen immer wieder einmal ein überraschendes Wunder Gottes erleben können.“

„Das Herz ausschütten“

Ein Ausdruck wie „Wer’s glaubt, wird selig“ wird heute meistens völlig anders verwendet als zu biblischer Zeit. Jesus sagte diese Wort im Zusammenhang mit seiner Auferstehung. Jesus nennt an der Stelle den Glauben als Voraussetzung dafür, selig zu werden (Markus 16,16). Heute reagiere man damit „meist ironisch oder spöttisch auf eine Nachricht, die total unglaubwürdig erscheint“, schreiben die Autoren.

Oft sei Luther von der wortwörtlichen Übersetzung abgewichen, erklären die Autoren. Wenn im Original etwa die Rede davon ist, dass das Wort Gottes die Kraft habe, „Gelenk und Knochenmark“ zu durchdringen, so machte Luther daraus „durch Mark und Bein“ wegen des sprachlichen Klangs – wissend, dass hier die Reihenfolge umgedreht ist im Vergleich zum Originaltext. Im Kapitel „Sein Herz ausschütten“ schreiben die Autoren: „Unser menschliches Herz ist ein sonderbares Ding. Mal ist es verschlossen wie eine gut gesicherte Burg, in die niemand eindringen kann, ein anderes Mal offen wie ein Scheunentor, so dass jeder in sein Innerstes Einblick nimmt. Schließlich kann es vor anderen ausgeschüttet werden.“ Das etwa tat Hanna, eine Frau aus dem Alten Testament, die großen Kummer hatte, weil ihr Herzenswunsch nach einem eigenen Kind nicht in Erfüllung ging. Daraufhin schüttete sie ihr Herz vor Gott aus, heißt es in 1. Samuel 1,15.

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder“ ist eine nette Lektüre, das Büchlein passt daher gut auf den Kaffeetisch, um darin ab und zu zu schmökern. Einen theologischen Tiefgang hat es eher nicht, die 120 Seiten mit ganzseitigen Illustrationen hat man schnell durchgelesen. Dennoch dürfte so mancher verblüfft sein, was ein Sprichwort im Original einmal bedeutete, oder dass es überhaupt aus der Bibel stammt.

Petra Gerster, Christian Nürnberger (Hrsg.): „Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Die fünfzig schönsten Redewendungen der Bibel“, Edition Chrismon, 120 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-96038-189-1

Von: Jörn Schumacher

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