Die deutsche Sprache ist oft umständlich: Die Grammatik mit den vier Fällen und drei Geschlechtern oder auch zusammengesetzte Wörter, deren Bestandteile man bis schier ins Unendliche aneinanderreihen kann, bringt mitunter selbst Muttersprachler zur Verzweiflung. Aber im Deutschen lassen sich bedeutungsvolle Dinge auch kurz und in einfachen, prägnanten Worten ausdrücken. Für Spiegel-Autor Hauke Goos ist das Vaterunser ein Beispiel für treffende Sprache und starke Worte.
Jesus beschreibt in der Szene, wie die Jünger beten sollen. Aus Sicht von Goos macht er dies so einfach wie möglich, aber auch mit Gefühl. Das Deutsche hat aus Goos’ Sicht viele starke Worte, gerade „wenn es um Wesentliches geht“, wie Krieg, Qual, Macht und Neid. Die Sprache sei bei Gefühlen „meist ganz bei sich, elementar und knapp“.
Vaterunser geht über das Erwartbare hinaus
Das am weitesten verbreitete Gebet des Christentums enthalte viele Bitten. Die Schlusspassage nehme die Anfangsbitte wieder auf („Dein Reich komme“) und gebe „die Zusage Gottes auffordernd an diesen zurück“. Das „Finale“, wie Goos es nennt, beginne mit starken, einsilbigen Worten, die aus Sicht des Autors eine „Wucht“ haben: Das dreisilbige Wort „Herrlichkeit“ und das nachfolgende „Ewigkeit“ gäben der Anrufung Gottes ein Fundament. Das Vaterunser nehme zu den üblichen und gewohnten Dreiklängen zu Reich, Kraft und Herrlichkeit noch das vierte Wort Ewigkeit hinzu.
Damit gehe das Vaterunser über das Erwartbare hinaus. „Jesus baut eine Treppe aus Wörtern, hin zum Großen, hin zum Größten. So mitreißend kann Gewissheit sein: Nichts weniger als Herrlichkeit, nicht weniger als die Ewigkeit.“ Dem folge als Schlussstein das Amen.
Von: Johannes Blöcher-Weil