Döpfner: „Wer die AfD verhindern will, stärkt sie“

Viele Journalisten sind davon getrieben, bei den Kollegen gut anzukommen. Das führt zu angepassten Haltungen und lasse Freidenkern wenig Raum, mahnt Matthias Döpfner, Chef von Axel Springer, in der Neuen Zürcher Zeitung.
Von PRO
Matthias Döpfner erklärt im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung, was aus seiner Sicht in der Branche alles schiefläuft

Der Journalismus erleidet einen Glaubwürdigkeitsverlust, wenn er nach der Relotius-Affäre nicht wieder authentisch werde. Davor hat der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, Matthias Döpfner, gewarnt. Im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung wünscht er sich von der schreibenden Zunft, dass es ihr gelingt, den Leser korrekt zu informieren, anstatt die Welt „nach dem eigenen Gusto zu verbessern“.

Der Spiegel-Journalist Claas Relotius habe in seinen Beiträgen „Ware geliefert, die gewünscht war“. Sie basiere auf „einem bestimmten Sound“, den Jurys von Journalistenpreisen gefördert hätten. Solche Konstruktionen wie bei Relotius würden nicht per Zufall erfunden, sondern eine ideologische Erwartungshaltung bedienen. Jetzt gehe es darum, „wieder mehr Authentizität und Glaubwürdigkeit“ herzustellen – auch in den Jurys der Journalistenpreise.

Herdenverhalten und Mainstream-Denken

Viele Journalisten seien davon getrieben, bei den Kollegen gut anzukommen und das Milieu ihrer eigenen Branche zu bedienen, „anstatt nonkonformistisch die andere Seite der Medaille zu beleuchten“. Dies führe zu Herdenverhalten, Mainstream-Denken, einer an die herrschende Meinung angepassten journalistischen Darstellung und immer mehr auch zu Intoleranz gegenüber Freidenkern.

Eine Diskrepanz ergebe sich, wenn das politische Spektrum der Journalisten nicht dem seiner Leser entspreche: „Wenn Medien politische Positionen der Bevölkerung so verzerrt repräsentieren, führt das auf die Dauer zu einer Entkoppelung.“ In der Ausbildung von Journalisten sei der wichtigste Leitsatz, „Neugier auf die Wirklichkeit“ zu wecken. „Wenn Journalisten von Aktivisten nicht mehr zu unterscheiden sind, dann können wir einpacken“, sagte Döpfner. Wer als Journalist antrete, um die AfD zu verhindern, sei schon auf dem Holzweg: „Er wird damit vor allem eines erreichen: die AfD zu stärken.“

Wahrheitsgetreues Bild entsteht im Wettbewerb

Journalisten müssten mit ihren Beiträgen „ein möglichst wahrheitsgetreues Bild“ zeichnen: Dazu gehörten kritische Fragen und investigative Recherche. Ein Medium überzeuge immer noch mit guten Inhalten und nicht, wenn es seinen Lesern nach dem Mund schreibe: „Guter Journalismus ist immer auch unterhaltsam. Und natürlich muss alles stimmen – das ist furchtbar banal.“

Döpfner fordert für den Wettbewerb der Medienschaffenden „einen Rechtsrahmen“. Durch das Internet gebe es viele Wettbewerber, „die fremde Inhalte einfach nehmen und selbst vermarkten“. Kaum einer investiere noch in Inhalte, weil damit schwer Geld zu verdienen sei. Aus Döpfners Sicht brauche es wieder mehr Freiheit, „um auch unkonventionelle und unbequeme Gedanken zu ertragen“.

Israel als Brückenkopf der Demokratie

„Allergrößte Sorgen“ bereitet Döpfner der neu aufkeimende Antisemitismus. Neben rechtem und linkem Antisemitismus komme nun noch islamistische Judenfeindlichkeit hinzu. Diese sieht er als momentan „vielleicht aggressivste und bedrohlichste Form“. Mit seinem klaren Bekenntnis zum Existenzrecht Israels fühlt sich Döpfner meist alleine, obwohl dies „eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte“. Das Land sei der „Brückenkopf der Demokratie“ in einer demokratiefeindlichen Region.

Mathias Döpfner begann seine journalistische Karriere als Musikkritiker für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In weiteren Stationen war er Chefredakteur der Wochenpost und der Hamburger Morgenpost. Seit 1998 arbeitet Döpfner für Axel Springer: Zunächst war er Chefredakteur der Welt, mittlerweile ist er CEO und Miteigentümer von Axel Springer. Seit 2016 ist er Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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