Gerettete ohne Rettersinn

Während die Weltklimakonferenz den Wettlauf mit der Zeit zu verlieren scheint, sind viele Christen davon überzeugt, dass unserem Planeten ohnehin nicht mehr zu helfen ist. Hauptsache unser privates Seelenheil ist gesichert. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von PRO
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.

„Ihr Evangelikalen seid schon ein unbedarftes Völkchen“, sagte mir ein alter Freund, inzwischen in der Partei der Grünen. „Ihr verehrt den Schöpfer, aber die Schöpfung ist euch egal.“ Er war in jungen Jahren als „Gläubig-Bekehrter“ und „entschieden wiedergeborener“ Christ unter den „gefährlichen“ Einfluss eines grünen Fundis geraten – so sahen das jedenfalls seine ängstlichen pietistischen Leiter: Die haben nämlich immer die These vertreten, dass diese Erde nicht mehr zu retten sei. Man solle seine Zeit nicht damit verschwenden, etwas dem Tod und Gericht Geweihtes wiederbeleben zu wollen.

Die frommen Leute waren endzeitfixiert, statt vom kommenden Reich Gottes her zu denken und zu leben. Und wenn mal über Klimawandel gepredigt wurde, dann nur um dieses Wort als Sprungbrett für eine allegorische Auslegung zu missbrauchen. Dann ging es um den dämonischen Zerfall des Familienklimas oder um den moralischen Innenschutz, nicht um Umweltschutz. Dieses Feld hat Greenpeace längst übernommen.

Selbst Donald Trump hält den Klimawandel inzwischen für Realität, zweifelt aber an einer Verantwortung der Menschheit dafür. „Ich bestreite Klimawandel nicht“, sagte Trump in einem Interview des US-Senders CBS. „Aber er könnte sehr wohl wieder zurückgehen.“ Er wisse zudem nicht, ob Analysen von Wissenschaftlern zuträfen, wonach die Menschheit für die globale Erderwärmung verantwortlich sei. In der Zeit vor seiner Präsidentschaft hatte Trump wiederholt über Warnungen vor dem Klimawandel gespottet. Das muss denen gut gefallen haben, die ihn mit ihrer Stimme ins mächtigste Amt der Welt geschickt haben: Millionen konservativen Christen.

Die Schöpfung ist mehr als ein fauler Apfel

Warum haben wir die Bewahrung der Schöpfung den Grünen und Greenpeace überlassen?

Weil wir lange einer fatalen Zerfallstheorie gefolgt sind, dass die wunderbare Schöpfung wie ein fauler Apfel am Baum hängt und ihrem Gericht entgegenreift. Und dass wir, ohne uns die Hände schmutzig zu machen, in einem „Shuttle der Seligen“ dem Gericht entgehen und ins himmlische Paradies entrückt werden. Eine komfortable Idee. Wenn Bangladesch absäuft, Kalifornien abbrennt, Brasilien abholzt und Sibirien abtaut, dann erst werden wir lernen, dass Gott seine wunderbare Schöpfung in unsere fahrlässigen Hände und egoistischen Motive gelegt hat.

Warum stehen wir nicht an vorderster Front des Umweltschutzes? Früher gab es den frommen Spruch: Gerettet sein schafft Rettersinn! Richtig. Bitte! Jede Evangelisation, jede Bibelstunde, jeder Gottesdienst, jedes Hauskreisgespräch darf nicht in der Gewissheit meines persönlichen Heils steckenbleiben, sondern sollte uns zu kleinen Schritten einer schöpfungsgemäßen Politik motivieren. Das ehrt unseren Schöpfer mehr als alle frommen Worte.

P.S.: Nur für alle Fälle: Die Bibelstellen zum Weltuntergang kenne ich. Aber ich will nicht mehr darauf ausruhen.

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