Schränkt Bulgarien die Religionsfreiheit ein? Davor warnen jedenfalls die Evangelische Allianz und der Vatikan, die Onlineplattform Glaube.at spricht gar von einem „drakonischen Gesetz“. Doch ist diese harte Kritik auch gerechtfertigt?
Bei der geplanten Gesetzesreform handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Entwürfe, die eine Neufassung des Religionsgesetzes vorsehen. Vorgelegt wurden die beiden Entwürfe zur Reform des Religionsgesetzes bereits im Mai: Von der konservativen Regierungspartei GERB, den oppositionellen Sozialisten (BSP) und der liberal-muslimischen Partei DPS. Dass der Gesetzesentwurf im bulgarischen Parlament eine Mehrheit findet, ist dabei ziemlich wahrscheinlich: Die drei Parteien stellen zusammen 201 von 240 Sitzen in der Nationalversammlung in Sofia. Außerhalb des Parlaments in Sofia stößt der neue Gesetzesentwurf aber fast einhellig auf Kritik. So hält der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Bulgariens, der Apostolische Exarch Christo Proykov (der Titel des Apostolischen Exarchen in den Katholischen Ostkirchen entspricht etwa dem Kardinalstitel in der Römisch-Katholischen Kirche, Anm. d. Red.), die Gesetzesinitiative für „gefährlich und unpassend“ sowie für „diskriminierend“. Ähnlich sieht das auch die Bulgarische Evangelische Allianz, die davon spricht, dass die beiden Gesetzesentwürfe einen „Proteststurm unter allen Religionsgemeinschaften des Landes ausgelöst haben“ und davor warnt, dass die „religiösen Rechte und die Religionsfreiheit der Kirchen, Konfessionen und religiösen Organisationen in unserem Land eingeschränkt werden“.
Doch worum geht es überhaupt? Unter den zahlreichen neuen Bestimmungen stechen zunächst zwei Dinge hervor: Einerseits wird kleinen Religionsgemeinschaften die Religionsausübung erschwert. Andererseits ist es für Ausländern schwierig, sich in Bulgarien religiös zu betätigen. Beides trifft vor allem Katholiken und Evangelikale, die in Bulgarien jeweils weniger als ein Prozent der Bevölkerung stellen und vielfach auf ausländische Geistliche angewiesen sind.
Verbot von Hauskirchen: „Das ist sicher verfassungswidrig“
Laut dem Gesetzesentwurf kommen ausschließlich Religionsgemeinschaften, die mindestens ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, in den Genuss einer staatlichen Förderung – das sind in Bulgarien ausschließlich Orthodoxe und Muslime. Und nur sie sind laut Entwurf dazu berechtigt, konfessionelle Schulen zu unterhalten. Außerdem dürften nur Leute mit bulgarischem Pass noch als Geistliche tätig sein oder in anderen Bereichen für Religionsgemeinschaften arbeiten – eine Bestimmung, die der Wiener Religionsrechtler Richard Potz für EU-rechtswidrig hält. In mehreren Ländern sieht der Österreicher eine „Tendenz, restriktive Religionsgesetze zu erlassen“, das bulgarische Gesetz sei aber „besonders drastisch“. Eine weitere Einschränkung: Gottesdienste – das Gesetz spricht von „öffentlichen religiösen Handlungen“ – dürften nur noch in eigens dafür registrierten Gebäuden stattfinden. „Das ist sicher verfassungswidrig. So etwas kann in Straßburg (Sitz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Anm. d. Red.) nicht halten“, sagte Potz gegenüber pro.
Die Einschränkung der Gottesdienstorte würde Hauskirchen genauso betreffen wie Hinterhofmoscheen. Insgesamt sieht Potz, der sich auch mit orthodoxem Kirchenrecht beschäftigt hat, zwei Beweggründe für die Verschärfung der Religionsgesetze in osteuropäischen Ländern: Einerseits diene dies dem „Schutz der traditionellen Religionen“, das andere Motiv sei die „Sorge vor Überfremdung, wobei man besonders die Muslime, den Islam im Auge hat“. Tatsächlich heißt es bereits in der derzeit gültigen Version des bulgarischen Religionsgesetzes: „Die traditionelle Religion der Republik Bulgarien ist die Orthodoxie.“ Dennoch garantiert das Gesetz das „Recht eines jeden auf Gewissens- und Glaubensfreiheit“ und drückt Respekt für „Christentum, Judentum und Islam sowie für andere Religionen“ aus.
Verbot von Auslandsfinanzierung auch in Österreich
Das Verbot der Auslandsfinanzierung von religiösen Gemeinschaften gilt in Bulgarien insbesondere auch dem politischen Islam. Dazu muss man bedenken, dass etwa acht Prozent der Bulgaren Muslime sind und dass Bulgarien an die Türkei grenzt und einst Teil des Osmanischen Reiches war. Dass Erdogans AKP – die bekanntlich eine Politik mit imperialistischen Ansätzen verfolgt – und möglicherweise auch andere Gruppen auf Bulgariens Muslime Einfluss nehmen wollen, ist naheliegend. Und dass der bulgarische Staat das einschränken will, ist an sich verständlich. Auch Österreich kennt etwa ein Verbot der Auslandsfinanzierung von religiösen Gemeinschaften, das sich aber nur auf islamische Gemeinschaften bezieht – eine Bestimmung, die im Sinne des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes nicht unproblematisch ist. „Das ist zu kritisieren, aber wir sitzen da von österreichischer Seite ein bisschen in einem Glashaus“, meint dazu der Wiener Potz.
Exarch Christo Proykov meint: „Der Gesetzesentwurf ist eine traurige Erinnerung an die kommunistische Vergangenheit, von der wir geglaubt haben, dass sie nie mehr zurückkehren würde“. Eine Kritik, die Potz nachvollziehen kann. Bereits die Sowjetunion habe ausländischen Glaubensgemeinschaften – damals ging es vor allem um Evangelikale aus den USA – das religiöse Leben sehr schwer gemacht, auch mittels eines Verbots der Auslandsfinanzierung. Potz meint: „In einigen Staaten des ehemaligen Ostblocks gibt es hier sicher Rückfälle. Nur ist es eben ein Unterschied, wenn ein Staat Teil der Europäischen Union ist und daher europäisches Recht gilt und doch in stärkerer Weise an europäische Normen gebunden ist als etwa Russland.“ Hinter dem Gesetzesentwurf sieht der Experte „defensiv ängstliche“ Motive: „Da trifft sich beides in Bulgarien: Die Sorge dass es hier einen Einfluss auf den bulgarischen Islam gibt. Aber auch die Sorge auf Einflüsse vom Westen her, die Sicherung der Orthodoxie, wie wir sie in Russland auch haben.“
Von: Raffael Reithofer