In sozialen Netzwerken gibt es zu viele Informationen, „die nicht zu unserem Besten gefiltert und priorisiert werden“. Das kritisierte die Soziologin Zeynep Tufekci in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Der Facebook-Algorithmus bevorzuge oft Dinge, „die empörend sind und nicht die Dinge, die wir bewusst wählen würden“, sagte die Professorin von der Universität North Carolina.
Der Videokanal YouTube wolle den Nutzer möglichst lang auf seiner Seite behalten und schlage dafür immer neue und extremere Videos vor. Als sie den Namen „Donald Trump“ eingegeben habe, habe sie Vorschläge zu „sehr rassistischen und frauenfeindlichen“ Inhalten bekommen. Beim Namen „Hillary Clinton“ sei sie auf „schreckliche Verschwörungstheorien von links“ gestoßen.
„Ich glaube, der Algorithmus hat herausgefunden, dass es fesselnder ist, Nutzer zu immer extremeren Videos zu pushen. Das ist eine Schwäche des Menschen: Extremeres zu wollen, ohne es zu wissen“, sagt Tufekci. Aber auch die Rückkehr zum „alten System“ mit wenigen Zeitungen und Fernsehsendungen hält sie nicht für erstrebenswert, da es die Möglichkeit der Zensur schafft.
Wenn eine Zeitung falsch berichte, dann versage sie: „Sie tut nicht das, was sie eigentlich tun sollte – uns mit relevanten und korrekten Informationen zu versorgen. Als Facebook dagegen im Wahlkampf mithalf, Desinformation zu verbreiten, hat es damit nur seine Mission erfüllt: Es zeigt den Leuten, was sie sehen wollen, und kassiert dafür Geld.“
Soziale Medien wie öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestalten
Mit Hilfe der sozialen Medien könne zwar jeder seine Meinung veröffentlichen, aber dies wiege nicht die gleichzeitige „Verschmutzung der öffentlichen Sphäre“ auf. Die Konzerne müssten mehr Menschen einstellen, die dies beseitigen, statt auf ihren Profit zu schauen: „Wir kommen nicht zurück in die alte Welt, aber wir können Standards setzen.“ Tufekci bringt in diesem Zusammenhang auch eine staatliche Regulierung ins Spiel.
Möglich seien auch Bezahl-Angebote in sozialen Netzwerken zu schaffen, „statt Anzeigen sehen zu müssen“. Alternativ könne es auch Social-Media-Angebote geben, die ähnlich dem öffentlich-rechtlichem Rundfunk „dem öffentlichen Interesse verpflichtet sind und kein Geld damit verdienen, uns zu überwachen“. Die öffentliche Sphäre sei zu wichtig, um sie Demagogen zu überlassen.
Soziale Medien vollkommen zu boykottieren, sei oft nicht hilfreich, da manche Informationen vor allem dort geteilt würden und man sonst von der Öffentlichkeit ausgeschlossen wäre. Tufekci animiert jedoch dazu, „die eigene Zeit und Aufmerksamkeit zu kontrollieren“.
Von: Johannes Blöcher-Weil