Die Gnadauer Gemeinschaftsbewegung will bessere Arbeitsbedingungen für ihr pastorales Personal schaffen. Gute Idee. Die Landeskirchen wollen ihre Emeriti wieder auf die Kanzel holen. Die Freikirchen können längst nicht alle freien Pastorenstellen besetzen. Wo bleibt der pastorale Nachwuchs?
„Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit, AMEN.“ So könnte man die Aussichten auf Besoldung und Karriere im Dienst der Freikirchen und der Gemeinschaftsverbände beschreiben. Dafür darf man sich ohne Stresszulage in Krisen bewähren, die Gemeinden von der Sonntagsschule bis zum Seniorenkreis unterhalten, es allen recht machen und durch evangelistisches und seelsorgerliches Talent eifrig Wachstum generieren. Die an unseren Hochschulen erworbene theologische Fachkompetenz wird kaum abgerufen. Viele Gemeinden suchen Versorger, Pfleger und Betreuer, keine Schriftgelehrten. Warum sollte man dafür acht Semester Theologie studieren?
Predigerkinder freuen sich
Die Hauptamtlichen der Freikirchen und Gemeinschaften trugen früher den Titel „Prediger“. Aber diese Berufsbezeichnung ist in den vergangenen 20 Jahren in Verruf geraten: Hassprediger, Sektenprediger, amerikanische Wohlstandsprediger haben das Image dieses vormals seriösen Titels so verunstaltet, dass sich inzwischen nicht nur in den Freikirchen, sondern auch in den Gemeinschaftsverbänden der „Pastor“ (Hirte) mit deutlicher Akzeptanz durchgesetzt hat. Auch zur Freude der Predigerkinder, die in der Schule immer erklären musste, was der Papa beruflich macht. „Der hält Predigten! Nein, keine Gardinenpredigten und auch keine Hasspredigten.“
Nun ist die Berufsbezeichnung kein Ärgernis mehr, die meisten absolvieren inzwischen die evangelikalen Ausbildungsstätten mit Hochschulabschluss, aber die Gemeindebünde bekommen das zu spüren, was den Landeskirchen und Bistümern schon länger Sorgen bereitet. Es fehlt am pastoralen Personal. Die Gemeinden schicken weniger Kandidaten in die Hochschulen und Seminare und diese können den Pastorenmarkt nicht ausreichend bedienen. Dabei ist die stagnierende Zahl der Studienanfänger nur ein Teil des Problems. Es zieht längst nicht alle Absolventen in den Gemeindedienst, besonders nicht aufs Land. Manche streben eine wissenschaftliche Karriere an, andere emigrieren in soziale Betätigungsfelder, in therapeutische Berufe oder sie gehen zurück in ihre früheren Jobs.
Der Personalverantwortliche einer großen Kirche in den USA hat mir vor Jahren in Chicago folgendes verraten: Die ersten drei Jahre Gemeindepraxis entscheiden über den Dienst eines Pastors. „Ihr müsst eure Absolventen in Gemeinden geben, die sich gerade im Aufbruch befinden. Die werden auf Wachstum programmiert und bleiben dauerhaft gute Hirten. Diejenigen, die ihr Praktikum in stagnierenden oder schrumpfenden Gemeinden absolvieren, neigen zum baldigen Ausstieg!“
Die vier B: bekehrt-begabt-bewährt-berufen
Ich gehöre zu der Generation, die sich von Gott „in den Dienst“ berufen fühlte, frei nach den bekannten vier B: bekehrt-begabt-bewährt-berufen! Das war eine Berufung auf Lebenszeit. Heute scheint das Studium der Theologie und der anschließende pastorale Dienst eine Option zu sein, eine Alternative, eine Lebensabschnittsvariante. Die erste Praktikumsstelle (Vikariat) entscheidet oft darüber, ob die Berufsanfänger im geistlichen Dienst Erfüllung und eine herausfordernde Lebensaufgabe finden oder ob sie sich angesichts der bescheidenen Besoldung und dem nicht gerade vergnügungssteuerpflichtigen und konfliktriskanten Job nach beruflichen Alternativen umschauen.
Für mich ist es jedenfalls der schönste Beruf – und das in einer lebenslangen Berufung. Ich wünschte, das würde Schule machen. Wir brauchen Hirten, Evangelisten und Lehrer, die das Feuer schüren, statt die kalte Asche rauszutragen.
Von: Jürgen Mette