Das evangelische Monatsmagazin chrismon porträtiert in seiner aktuellen Ausgabe und in einem Online-Artikel die Ärztin Kristina Hänel. Unter dem Titel „Die Retterin“ zeichnet Chrismon-Leiterin Ursula Ott ein Bild der Medizinerin, die in ihrer Praxis auch Schwangerschaftsabbrüche durchführt und wegen eines Prozesses eine öffentliche Debatte angestoßen hatte. Die Ärztin musste sich im November 2017 vor Gericht verantworten, weil sie auf ihrer Internetseite unerlaubt für Abtreibungen geworben hatte. Der Paragraf 219a Strafgesetzbuch (StGB) sieht Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe für eine Person vor, die „öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften […] seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs […] anbietet, ankündigt oder anpreist.“ Das Amtsgericht Gießen verurteilte Hänel 2017 wegen werbenden Informationen zur Abtreibung zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Gegen das Urteil hat die Ärztin Berufung eingelegt. Das Landgericht Gießen wird nach chrismon-Angaben am 6. September über die Berufung verhandeln.
Hass auf der einen, Unverständnis auf der anderen Seite
Der aktuelle chrismon-Artikel schildert neben den Gründen, die Frauen zu Abtreibung bewegen, auch den Druck, den die Ärztin empfindet. Und den Hass, der ihr entgegenschlägt. Aber auch das Unverständnis der Medizinerin darüber, wenn „selbst ernannte Lebensschützer sich auf den lieben Gott berufen“. Hänel sagt: „Wer mich mit Gott teeren und federn will, ist nicht wahrhaftig.“ Nur Dinge, die wahr seien, würden ihr Herz berühren. Wer hasse und sich dabei auf Gott berufe, sei in ihren Augen gottlos. Unter den Abtreibungsgegnern gebe es viele „Pharisäer“, konstatiert die Ärztin. Zu den vielen Frauen, denen sie geholfen habe, gehörten auch „solche aus dem evangelikalen Spektrum“. Dem chrismon-Artikel zufolge ist Hänel Mitglied der evangelischen Kirche, spielt gelegentlich in der Kirche Flöte an Heiligabend.
Bereits im Januar war eine Debatte innerhalb der christlichen Publizistik entbrannt, nachdem sich Ursula Ott in einem Meinungsbeitrag für die Abschaffung des Paragrafen 219a ausgesprochen hatte. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, war zu Jahresbeginn zu einem anderen Urteil gekommen. „Ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche halte ich für richtig“, erklärte Bedford-Strohm im Januar gegenüber dem Christlichen Medienmagazin pro. Dass über das Thema informiert werden könne, sei legitim, hatte der Ratsvorsitzende befunden, nicht aber Werbung für entsprechende Eingriffe. Die Debatte hatte Bedford-Strohm „als Teil der pluralistischen Kultur unserer Evangelischen Kirche“ gewertet, innerhalb der es möglich sein müsse, „eine profilierte Meinung in so einer Sache zu vertreten“, auch wenn er an dieser Stelle eine andere Meinung vertrete.
Von: Norbert Schäfer