„Gott ist mein Spielmacher“

Der brasilianische Fußballweltmeister (1994) Jorginho fand nach einem exzessiven Leben einen „festen Punkt“. Als erster ausländischer Mannschaftskapitän der Bundesliga leitete der missionarische Christ einen Bibelkreis für seine Mitspieler bei Bayer 04 Leverkusen. Die Jungprofis Oliver Pagé und Heiko Herrlich ließen sich von seiner Christusbegeisterung anstecken. Heute unterhält er im Slumviertel von Rio eine Fußballschule.
Von PRO
1994 wurde Jorginho mit der brasilianischen Nationalmannschaft Fußball-Weltmeister. Heute hat er eine Fußballschule für Straßenkinder.

Jorginho kam gleich auf seine Herkunft zu sprechen: „Wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, war ich beim Fußballspielen am glücklichsten. Gehungert hat unsere Familie mit sechs Kindern zwar nicht, aber wir lebten immer am Rande des Existenzminimums im Elendsviertel von Rio. Mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war. Schon vorher hatte er sich von unserer Mutter getrennt und war für die Kinder natürlich auch nicht da. Erst später begriff ich, wie wichtig der Vater für eine Familie ist. Meine Mutter musste den ganzen Tag in einer Wäscherei arbeiten, weil wir Kinder sonst verhungert wären. Mein ältester Bruder war Alkoholiker und mein jüngster Bruder drogensüchtig.“

Vielleicht um von den kaputten familiären Verhältnissen abzulenken, unterbrach Cristina unvermittelt ihren Mann: „Wären Jorgi und ich nicht Christen geworden, wären wir jetzt nicht so glücklich verheiratet.“ Jorginho schaute mich an und sagte: „Du musst wissen, dass ich früher sehr vergnügungssüchtig war. Ich verdiente viel Geld, fuhr tolle Autos, genoss in vollen Zügen das Nachtleben von Rio und hatte ständig schöne Frauen um mich. Doch mein Herz war leer.

In dieser Zeit wurde mein älterer Bruder plötzlich Christ. Jahrelang hatte er unsere Familie tyrannisiert. Wenn er betrunken nach Hause kam, hat er alles zusammengeschlagen. Doch nun änderte sich sein Leben. Er war nicht wiederzuerkennen. Er trank nicht mehr, schikanierte uns nicht mehr und war mit sich selbst zufrieden. Mein Bruder war ein neuer Mensch geworden, und das machte mich stutzig. Denn ich hatte doch alles, was er nicht hatte: Geld, Ruhm und Frauen. Aber ich war unglücklich und er war glücklich.“ (…)

„Ohne Gott war ich ein jämmerlicher Kerl“

Als der Fußballprofi im Aktuellen Sportstudio vom ZDF-Moderator Karl Senne provozierend gefragt wurde, ob ihm das Leben ohne seine Frauengeschichten überhaupt noch Spaß mache, antwortete er: „Ich kenne beide Seiten und weiß, wovon ich rede. Ohne Gott war ich ein jämmerlicher Kerl, mit Gott bin ich ein ganzer Mann, der frei entscheiden kann, was er tut und lässt. Ich erfahre in meiner Familie mit Cristina und unseren drei Kindern Liebe und Geborgenheit. Ich brauche keine zweifelhaften Vergnügungen mehr; denn die Flucht in den Rausch ist immer ein Zeichen innerer Leere. Wenn ich heute nach Hause komme, muss ich nicht verzweifelt nach irgendwelchen Ausreden suchen, warum ich später gekommen bin. Es gibt kein Misstrauen mehr zwischen uns.“ – „Hat sich deine Einstellung als Fußballprofi auch verändert?“

– „Wenn ich früher nach einem verlorenen Spiel nach Hause kam, war die Hölle los. Ich war unausstehlich und unnahbar. Ich spiele sehr gerne Fußball, und es ist für mich auch wichtig zu gewinnen. Aber es ist nicht mehr die Hauptsache; denn ich bin innerlich nicht mehr vom Spielergebnis abhängig. Ob Sieg oder Niederlage im Fußball, das stört meinen Seelenfrieden nicht nachhaltig. Ich kann ein Spiel verlieren, weil mein persönlicher Sieg nicht vom Fußball abhängt. Mein Sieg gründet sich auf den Sieg Christi, der mir durch seinen Tod und seine Auferstehung Vergebung meiner Schuld und ewiges Leben erworben hat.“ (…)

Mannschaftskapitän verschenkt Bibel

Als bisher erster Ausländer wurde Jorginho in Leverkusen von seinen Mannschaftskameraden zum Kapitän gewählt. Diese Position nutzte er, um dem Spielführer der gegnerischen Mannschaft eine Bibel als Geschenk zu überreichen. Patrick Notthoff, der Kapitän vom MSV Duis­burg, sagte zu dieser ungewöhnlichen Aktion: „Bei jedem anderen wäre es lächerlich gewesen. Aber Jorginho ist eine richtige Persönlichkeit. Er hat mir erklärt, warum er das macht. Das ist zwar ungewöhnlich, aber ich fand es toll.“

Bibellesen gehörte schon damals für den praktizierenden Christen zum täglichen Brot, weil ihn diese geistliche Speise innerlich stärkt, inspiriert und motiviert. Deshalb bot er seinen Mitspielern jeden Donnerstag in seiner Wohnung einen Bibelabend mit lockeren Gesprächen über Gott, familiäre und berufliche Fragen und Probleme an. Seine Mitspieler Oliver Pagé, Heiko Herrlich und andere fanden einen persönlichen Zugang zu Gott und der christlichen Botschaft.

Von Gott angestrahlt wie unter Flutlicht

Immer wurde Jorginho gefragt, wie er sein persönliches Glaubensverhältnis zu Gott, dem himmlischen Vater, und seinem Sohn Jesus Christus beschreiben würde. Jorginho versuchte eine Antwort: „Es ist leichter, Fußball zu spielen, als den Glauben an Christus zu erklären. Man muss ihn erlebt haben. Ich möchte es mit einem Bild umschreiben: Wenn wir abends unter Flutlicht spielen, sind wir angestrahlt. Dadurch entsteht ein Schatten, der mich ständig begleitet. Genauso fühle ich mich von Gott angestrahlt, ob ich laufe, stehe oder gehe. Der Schatten begleitet mich, wo immer ich bin.

Gott umgibt mich auf allen Wegen. So wie der Schatten mir zeigt, dass ich angestrahlt werde, so spiegelt sich Gottes Wesen in meinem Leben wider. Ich setze mich den Strahlen seiner Liebe aus und werde erwärmt. Deshalb habe ich einen Platz an der Sonne. Diese göttlichen Energie­strahlen sind für mich eine Kraft, die mein Leben total verändert hat. Das sagt schon der Apostel Paulus: ‚Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die glückselig macht alle, die daran glauben‘ (Römer 1,16). Wenn ich mit einem Menschen über Gott rede, bete ich im Stillen, Gott möge ihn erleuchten durch seinen Heiligen Geist. Sonst spielt sich nichts ab. Ich sag dann einfach: ‚Probier es doch mal aus. Stell den Kontakt zu Gott doch einfach mal her. Wenn du nicht den Lichtschalter betätigst, wird dir nie ein Licht aufgehen.‘ Im Propheten Maleachi heißt es: ‚Wendet euch zu mir, dann will ich mich euch zuwenden und euch helfen, ich, der Herr.‘“ (…)

Fußballschule für Straßenkinder in Rio

Sein heutiges Arbeitsfeld befindet sich immer noch in Rio, wo er als Fußballspieler zuerst bei CR Flamengo und als 64-facher Nationalspieler wiederholt im Maracanã-Stadion vor 80.000 Zuschauern gespielt hatte. Seine langjährigen Fußballkollegen hat er ausgetauscht gegen Straßenkinder aus den Elendsvierteln von Rio. Es sei ein täglicher Überlebenskampf, auf den er sich eingelassen habe. „Wir wollen diesen Kindern der Armut eine Chance geben“, sagte der „barmherzige Samariter“; denn sie seien der Nährboden für die Straßenkriminalität, wenn man sie im Stich lasse.

Im Jahr 2000 siedelte er die von ihm gegründete Fußballschule „Bola Pra Frente“ („Mit dem Ball nach vorn“) in der Favela Guadalupe im Norden von Rio an, wo er selbst aufgewachsen war. 700 Jugendliche haben jährlich die Möglichkeit, dort verschiedene Ballsportarten, aber auch den Umgang mit Computern zu erlernen oder berufsvorbereitende Kurse zu besuchen. Stolz berichtete er: „Die Favela Guadalupe hat sich schon ein Stück weit verändert. Die Kids spielen, lesen und schreiben zu sehen, ist mein größtes Glück.“

Von: Günther Klempnauer

Dieser Auszug ist dem Buch „Keiner kommt an Gott vorbei“ entnommen. Darin schreibt Günther Klempnauer über den Glauben von Fußball­Legenden. Aktuell erschienen im St. Benno Verlag, 232 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 9783746251752. Foto: St. Benno
Dieser Auszug ist dem Buch „Keiner kommt an Gott vorbei“ entnommen. Darin schreibt Günther Klempnauer über den Glauben von Fußball­Legenden. Aktuell erschienen im St. Benno Verlag, 232 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 9783746251752.

Lesen Sie mehr zum Thema Glaube und Fußball auf unserer Sonderseite wm2018.pro-medienmagazin.de sowie in der neuen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro. Foto: pro
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