ARD-Dokumentation über Flüchtlinge, Werte und Kriminalität

Gleich zwei Messerattacken von afghanischen Jugendlichen gab es im Dezember 2017 in Deutschland. Daraufhin entbrannte ein Streit darüber, ob die Flüchtlinge eine Gefahr für Deutsche darstellen. Die ARD-Dokumentation „Das Mädchen und der Flüchtling“ beleuchtet das Problem am Montag, darauf folgt die Diskussion zum Thema in der Sendung „hart aber fair“.
Von Jörn Schumacher
Tatort Kandel: Am 27. Dezember 2017 ersticht hier ein junger afghanischer Flüchtling seine 15-jährige Ex-Freundin

Am 22. Dezember 2017 ging ein 16-jähriger afghanischer Flüchtling in Darmstadt auf seine 17-jährige Bekannte mit einem Messer los. Nur durch viel Glück überlebte das Mädchen den Anschlag. Die beiden Jugendlichen kannten sich aus der Schule, sie war seine Deutsch-Patin, und er glaubte, sie wären ein Paar. Noch am selben Abend wurde der Junge in seiner Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge festgenommen. Nur fünf Tage später griff wieder ein junger afghanischer Flüchtling mit einem Messer im südpfälzischen Kandel seine Ex-Freundin an. Das Mädchen starb an den Verletzungen. Sie hatte ein paar Wochen zuvor die Beziehung zu dem Afghanen beendet. Die Staatsanwaltschaft geht von einer übersteigerten Eifersucht als Tatmotiv aus.

Der 45-minütige Film „Das Mädchen und der Flüchtling“ von Christian Gropper und Kai Diezemann beleuchtet beide Fälle, mögliche Gründe für die Taten und wie die Bürger darauf reagieren. Die Autoren sprechen Fragen an wie: Wer hat versucht, den jugendlichen Geflüchteten die Werte einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft nahezubringen? Ist es fahrlässig, junge Mädchen zu Deutsch-Patinnen junger Männer zu machen, die mit einem völlig anderen Frauenbild groß wurden? Welche Spuren haben die schrecklichen Messerattacken in den beiden Städten hinterlassen?

Nach den Taten überschlugen sich Kommentare in den Sozialen Medien und in der Öffentlichkeit. Einerseits gab es Trauer und Entsetzen über den Tod eines jungen Mädchens, andererseits kamen Wut und Hass auf den Täter, auf Flüchtlinge und Ausländer allgemein auf. Der Film blickt zunächst zurück auf den Sommer im Jahr 2015, als noch viel Optimismus im Land vorherrschte, was den Zuzug von Flüchtlingen anging; an vielen Bahnhöfen in Deutschland wurden sie begrüßt. „Aber was brachten die Flüchtlinge mit, welche Hoffnungen, Wünsche, Werte, welche Gefahren?“, fragt der Beitrag.

Jochen Partsch, Oberbürgermeister von Darmstadt, erklärt: „Wir sind weltoffen und liberal, aber wir sind nicht naiv.“ Aber im Herbst 2015, als die ersten Flüchtlinge in die Stadt kamen, habe sich die Stadt bemüht, die Bedeutung der in Deutschland geltenden Menschen- und Frauenrechte unter den Flüchtlingen zu betonen.

Der Fernsehbeitrag spricht die aktuelle bundesweite Kriminalitätsstatistik an: „Demnach wurden in Deutschland im vergangenen Jahr bei rund 15 Prozent aller Straftaten gegen das Leben Zuwanderer als Tatverdächtige festgestellt. Eine Zahl mehr als sieben Mal so hoch wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Ihre Opfer sind dabei mehrheitlich selbst Zugewanderte.“ Martin Rettenberger, Direktor der Kriminologischen Zentralstelle, spricht im Interview als einen Grund für die schrecklichen Taten einen „Wertunterschied zwischen Männern und Frauen“ in den Gesellschaften der Flüchtlinge an.

Demonstrationen von rechts – und Gegendemonstrationen

In das Dorf Kandel kam der Täter, Abdul D., 2016 als unbegleiteter Minderjähriger. In der Schule lernte er die 14-jährige Mia kennen. Sie verliebten sich. Doch als das Mädchen sich von ihm trennte, wollte er das nicht akzeptieren. Vor dem Drogeriemarkt, vor dem Mia ermordet wurde, veranstaltete die NPD regelmäßig Demonstrationen. Viele Passanten teilen gegenüber dem Fernsehteam die Meinung der rechten Politiker, etwa in der Forderung, dass die Flüchtlinge das Land wieder verlassen sollten.

Aber es gibt auch Gegendemonstranten. Einer von ihnen sagt: „Wäre dieses Mädchen von einem Deutschen erstochen worden, würde hier kein einziger stehen, und auch ein Trauermarsch hätte nie stattgefunden.“ Die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum setzt sich dafür ein, dass die Tat in Kandel nicht in Vergessenheit gerät. Sie ist überzeugt: „Das Mädchen darf nicht umsonst gestorben sein. Man muss damit einen Aufruf verbinden, man muss die Bevölkerung aufrütteln. Es geht um die Zukunft der Frauen in unserem Land.“

Das Fernsehteam ging auch in der Heimat des Täters, in Afghanistan, auf Recherche, in einem Dorf 30 Kilometer nördlich von Kabul. Dort gelten die strengen Gesetze der Scharia, stellen sie fest. Ein Dorfbewohner sagt: „Für einen Muslim ist es verboten zu töten, aber Frauen, die ihre Männer verlassen, müssen getötet werden.“ Und auch ehemalige Mitschüler von Abdul D. sagen, ein Paschtun dürfe nicht akzeptieren, wenn eine Freundin ihn verlässt. Der Koran sage, dass eine solche Frau getötet werden müsse.

Die Reporter sprachen für den Bericht außerdem mit den jeweiligen leitenden Staatsanwälten der Fälle, mit den Bürgermeistern sowie mit Sozialarbeitern, die versuchen, mit den Flüchtlingen über Unterschiede zwischen den Kulturen zu sprechen, die zu Konflikten führen können. Der Film zeigt, dass viele Jugendliche, die aus Ländern mit streng muslimischen Regeln kommen, diese Regeln schon früh verinnerlicht haben und auch heute noch teilweise als richtig ansehen.

Im Anschluss an die Dokumentation diskutieren die Gäste der Sendung „hart aber fair“ zum Thema „Flüchtlinge und Kriminalität“.

„Das Mädchen und der Flüchtling“, Montag, 4. Juni 2018, 20:15 Uhr, ARD Fernsehen

„hart aber fair: Flüchtlinge und Kriminalität“, Montag 4. Juni 2018, 21 Uhr, ARD Fernsehen

Von: Jörn Schumacher

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