Die für die meisten Amerikaner wirklich interessanten Schlagzeilen machte Trump nur fünf Stunden vor seinem Gebetsaufruf. Über Twitter hatte er etwas mitgeteilt, was beweist, dass der Präsident der Vereinigten Staaten alle, vom gläubigen Pastor bis zum politischen Wegbegleiter, belogen hat.
Im Jahr 2006 soll Trump mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels ins Bett gehüpft sein. Pikant daran ist für viele Amerikaner zudem, dass seine Ehefrau in dieser Zeit gerade erst den gemeinsamen Sohn Barron zur Welt gebracht hatte. Stormy Daniels erzählte die Geschichte, offenbar in der Hoffnung, damit Geld für sich rausschlagen zu können. Und tatsächlich, Trumps Anwalt Michael Cohen zahlte ihr 130.000 Dollar, damit sie still hält. Doch die habe er aus seiner eigenen Tasche bezahlt, der Präsident habe nichts damit zu tun, behauptete er. Abgesehen davon, dass über diese Version halb Amerika lachte – am Donnerstag gab Trump nun doch zu, dass er seinen Anwalt bezahlt habe. Dass er eine Affäre mit Stormy Daniels gehabt haben soll, bestreitet er aber weiterhin.
Kurz darauf findet sich der Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses ein und lobt die christlichen Werte, auf denen das Land aufgebaut ist und präsentiert sich als gläubiger Christ.
Nun geht das Argument vieler gläubiger Trump-Anhänger so: Der Präsident selbst muss gar nicht ein strahlendes Vorbild christlicher Frömmigkeit sein. Das Wichtige ist doch, dass er gute Gesetze unterzeichnet, die christlichen Werte hochhält und die „richtigen“ – also konservative – Richter benennt.
Erst beleidigen, dann zum Gebet aufrufen?
Nun frage ich mich allerdings, wie jemand glaubwürdig einen christlichen Glauben nach außen vertreten kann, der regelmäßig, in vollem Bewusstsein und aus vollster Überzeugung, ohne Reue gegen die grundlegendsten Werte eben dieses christlichen Glaubens verstößt. Welches Bild vom christlichem Glauben vermittelt er da? Man muss nicht einmal die allseits bekannten Pläne Trumps bemühen, die Mauer nach Mexiko, oder die Androhung der Vernichtung an jedes Landes, das sich dumm anstellt, die permanente Ausgrenzung und Beleidigung von ausländischen Mitbürgern, das regelmäßige Beleidigen anderer Staatsmänner und -frauen auf unterstem Niveau. Am Donnerstag hat es Trump auf eine neue Spitze getrieben, wenn er eine Geschichte um Lügen, Pornostars, Schweigegelder und Fremdgehen als ganz normales Tagesgeschäft verkauft, und wenige Stunden später die Bedeutung des christlichen Glaubens für jeden Einzelnen im Land betont.
Wenn die Agenda „Make America great again“ wirklich bedeutet, einen christlichen Glauben zu propagieren, bei dem alles erlaubt ist, solange das Etikett „konservative Politik“ darauf klebt, dann darf man sich nicht wundern, dass sich Menschen scharenweise in Ekel von diesem Glauben abwenden.
Natürlich finden manche Christen einen Präsidenten besser, der Gesetze gemäß ihren Wertvorstellungen umsetzt, als einen, der Gesetze wider christliche Überzeugungen unterzeichnet. Aber wahrscheinlich war der Mensch, dem es mehr als jedem anderen zuwider war, wenn Menschen das eine predigen, aber das andere tun, Jesus selbst. Er war das beste Beispiel für jemanden, bei dem beides deckungsgleich war. Niemand von uns kann dieses hohe Ideal vollständig erfüllen. Wahrscheinlich haben wir alle höhere Werte im Sinn als jene, die wir tatsächlich leben. Aber fallen wir, sind wir aufgerufen, unser Fehlverhalten einzugestehen. Das schaffen ja sogar Nichtchristen ganz gut.
Von: Jörn Schumacher