Ein Nutzer des sozialen Netzwerks Facebook hat per einstweiliger Verfügung erreicht, dass ein vom Betreiber gelöschter Beitrag wieder freigeschaltet werden muss. Die Verfügung des Landgerichts Berlin ist ein Novum. Gabor B. hatte einen Artikel der „Basler Zeitung“ mit der Überschrift „Viktor Orban spricht von muslimischer ‚Invasion‘“ kommentiert. Die Zeitung hatte den Artikel mit den Worten „Viktor Orban wundert sich, wie in einem Land wie Deutschland […] das Chaos, die Anarchie und das illegale Überschreiten von Grenzen als etwas Gutes gefeiert werden konnte.“ über das Netzwerk verbreitet und kommentiert.
Der Nutzer Gabor B. kommentierte dies mit den Worten: „Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedien mit Fake-News über ‚Facharbeiter‘, sinkende Arbeitslosenzahlen oder Trump täglich zugemüllt“. Dieser Kommentar stieß auf viel Zustimmung in dem sozialen Netzwerk. Facebook löschte ihn wegen eines angeblichen und nicht näher erläuterten Verstoßes gegen deren Gemeinschaftsstandards und sperrte den Nutzer. Dies melden unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das Presseportal ots.
Richtungsweisender Beschluss
Der Hamburger Anwalt des Klägers, Joachim Steinhöfel, sah den Kommentar durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Er mahnte das soziale Netzwerk daraufhin ab. Facebook hob die Sperre auf, die Löschung aber nicht. Deren Anwälte sahen die Gemeinschafsstandards korrekt angewendet. Deswegen könne der Inhalt nicht wiederhergestellt werden.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin sieht vor, dass dem Unternehmen nun unter Androhung von Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft verboten wird, den zitierten Kommentar zu löschen oder den Kommentar-Schreiber zu sperren. Einstweilige Verfügungen werden in der Regel nicht begründet. Steinhöfel sah den Beschluss als „richtungsweisend“ und einen wichtigen Etappensieg für die Meinungsfreiheit. Nutzer hätten eine Handhabe „gegen die intransparenten Machenschaften eines Konzerns, der mit seiner Verantwortung umgeht, als handele er mit gebrauchten Fahrrädern“.
Der Beschluss des Landgerichts Berlin wurde zunächst dem Rechtsanwalt und dann per Gerichtsvollzieher der Gegenseite zugestellt. Ab Zustellung ist er von Facebook zu beachten. Das Unternehmen kann Rechtsmittel einlegen. Es ist das erste Mal, dass Facebook eine Löschung rückgängig machen muss.
Der Rechtsanwalt des Klägers, Joachim Steinhöfel, ist selbst Publizist und Blogger und setzt sich seit Jahren vehement für die Meinungsfreiheit ein. Er hat die Seite „Facebook-Sperre – Wall Of Shame“ gegründet. Dort dokumentiert er seit 2016 Fälle, in denen Nutzer zu Unrecht gesperrt oder deren Beiträge gelöscht wurden.
„Schwerer Schaden für die Demokratie“
Kritisch hat sich unterdessen auch Unionsfraktionschef Volker Kauder zum Thema Facebook geäußert. Dessen Chef Mark Zuckerberg warf er vor, der Demokratie auf der ganzen Welt schweren Schaden zugefügt zu haben, weil er dessen Nutzer an der Nase herumgeführt habe. Die missbräuchliche Nutzung der Daten durch die Firma Cambrigde Analytica sei Facebook lange bekannt gewesen, ohne dass etwas unternommen und obwohl damit die Präsidentschaftswahl in den USA beeinflusst worden sei. „Was für ein gröberes Vergehen kann es in einer Demokratie geben? Das ist doch unfassbar“, sagte Kauder im Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Mit einem einfachen „Sorry“ sei es nicht getan. Das Netzwerk müsse weltweit einheitlich streng reguliert werden. „In Europa sollten wir hier Vorreiter sei“, forderte der CDU-Politiker. Die Union werde „peinlich darauf achten“, dass Zuckerberg wirklich die zugesagten Datenschutzrichtlinien einhalte. „Wenn nicht, muss Facebook mit Millionen-Strafen rechnen. Und die müssen auch durchgesetzt werden“. Wenn Facebook so weitermache, würden sich die Bürger zunehmend von dem Netzwerk abwenden, vermutet der Nicht-Facebook-Nutzer.
Zuvor hatte bereits Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) Facebook mit hohen Strafen nach der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung gedroht. Die EU kann vom 25. Mai an bei gravierenden Verstößen gegen die Verordnungen bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens als Bußgeld verhängen.
Von: Johannes Weil