Die Kirche ist zurück auf der Berlinale. Damit ist nicht etwa die Institution gemeint, obwohl es auf dem weltbekannten Filmfestival wie jedes Jahr auch 2018 eine ökumenische Jury gibt, die einen eigenen Preis vergibt. Auch einen Empfang der Kirchen anlässlich der Festspiele gab es. Doch das alles ist nichts Besonderes. Bemerkenswert ist hingegen, dass die Kirchen als Thema im Film wieder einen Platz erobert haben.
Kritik an der Kirche muss sein
Noch im vergangenen Jahr kam der christliche Glaube in kaum einem Berlinale-Film vor. Und wenn er es tat, dann mit kritischen Untertönen wie in „Emo, the Musical“, in dem sich eine fromme Christin in einen Emo-Rocker verliebt. Die Teenager-Romanze zeigte unter anderem, wie christliche Subkulturen nach Meinung des Regisseurs zum Beispiel mit schwulen Glaubensgeschwistern umgehen: Sie schicken sie zur Konversionstherapie inklusive Elektroschocks.
Freilich, das war eine Komödie und nicht alles darin ist ernstzunehmen. Und ja, es ist auch nichts Schlimmes daran, Kritik an der Kirche zu üben. Die Berlinale versteht sich von jeher als künstlerisch-kritische Instanz. Da sollen auch fromme Organisationen nicht außen vor bleiben. Doch die ansonsten geradezu gespenstische Stille um Gott, Himmel, Gebet und Gemeinde ließ eine Lücke entstehen. Denn sind es nicht nach wie vor Glaube, Liebe, Hoffnung, die das Publikum am meisten interessieren?
In diesem Jahr ist der Glaube in großem Stil auf die Leinwand zurückgekehrt. Festivalchef Dieter Kosslik hatte das im Vorfeld angekündigt. Neben der Migration ist die Religion maßgebend für die 38. Berlinale. Und zwar im durchweg positiven Sinne. Im Wettbewerb etwa läuft der französische Film „La Prière“ (Das Gebet), der die Geschichte eines Drogensüchtigen zeigt, der in einer katholischen Kommunität auf den rechten Weg und zu Gott findet. Direkter Konkurrent ist der starbesetzte „Don’t worry, he won’t get far on foot“, ein Film über einen Alkoholiker, der mithilfe des Glaubens an Gott und der Vergebung trocken wird. Außerdem zeigt das Festival mit „Fortuna“ die Geschichte eines Flüchtlingsmädchens, das in einem Kloster in den Alpen Kirchenasyl findet.
Missbrauch statt Glaubenskraft
Gemeinsam haben all diese Filme, dass sie den Glauben durchweg positiv darstellen. Das tut gut, nachdem in den Jahren vor 2017 kaum ein Film über die Kirche ohne Missbrauchsgeschichten auskam. Zu den Gewinnerfilmen der Berlinale gehörte 2015 etwa „El Club“, der von katholischen Geistlichen erzählt, die wegen ihrer Verbrechen keinen beruflichen Platz mehr in der Kirche haben und gemeinsam in einer WG leben. „Kreuzweg“ thematisierte ein Jahr zuvor den Zwang in frommen Milieus. Die Protagonistin kostet er am Ende das Leben.
Tabus und Misstände gehören in den Film und natürlich gibt es diese auch in der Kirche zur Genüge. Doch darüber sollten Regisseure, Produzenten und Festivalbetreiber die erbauende Kraft des Glaubens nicht unter den Tisch fallen lassen. Nicht zuletzt die Flüchtlingskrise, das andere große Thema dieses Berlinale-Jahres, hat schließlich gezeigt, welch gesellschaftliche Kraft von den Kirchen ausgeht, wieviel Hilfe sie organisieren und wie sie auch die politische Debatte positiv beeinflussen kann.
Von: Anna Lutz