Bei der Berichterstattung zur Rede des US-Präsidenten Donald Trump auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat die ARD-Nachrichtensendung Tagesschau künstlich nachgeholfen: Sie drehte bei einem bei Twitter geposteten Video die Lautstärke der Buhrufe nach oben, als Trump sich kritisch zu Medien äußerte. Durch die anschließende Debatte um journalistische Arbeitsweisen sah sich ARD-Chefredakteur Kai Gniffke genötigt, eine Stellungnahme abzugeben.
Trump sprach in Davos über die wirtschaftliche Entwicklung der Vereinigten Staaten von Amerika. Am Rande streifte er das Thema Fake News und redete auch über die in seinen Augen ihm gegenüber unfaire Berichterstattung. Einige Zuschauer im Raum buhten daraufhin. Die Tagesschau twitterte: „,Hinterhältige, gemeine, bösartige, falsche Presse‘ – hier wird Trump nach seiner Rede beim #WEF18 in #Davos dafür ausgebuht“. Dazu postete sie einen Videoausschnitt.
In einem weiteren Tweet räumte die Tagesschau offen ein, die im Video zu hörenden Buhrufe technisch verstärkt zu haben: „Wir haben den Ton am Ende tatsächlich etwas lauter gemacht, damit man die Buhrufe hört. Nur so können wir widerspiegeln, was unsere Korrespondenten berichtet haben. Das Mikrofon im Raum hat vor allem Trump aufgezeichnet und nur wenig von der Atmosphäre im Saal.“
Bild-Chefredakteur sieht Grenzüberschreitung
Auf Twitter hatte der Beitrag der Tagesschau kritische Reaktionen von Nutzern zur Folge. Auch Bild-Chefredakteur Julian Reichelt äußerte sich und sprach dabei direkt den ARD-Chefredakteur an: „Die @tagesschau hilft ein bisschen nach, damit Buh-Rufe gegen Trump lauter und deutlicher zu hören sind. Klare Grenzüberschreitung bei einer Nachrichtensendung, lieber @KaiGniffke. Und schwer vorstellbar, dass Sie dasselbe bei Applaus getan hätten.“
In einem Tagesschau-Blogbeitrag reagierte Gniffke auf die Manipulationsvorwürfe. In seinen Augen habe die Nachrichtensendung transparent gehandelt, indem sie auf die Tonpegelveränderung hingewiesen habe. Er sehe keine Manipulation. Es sei der Originalton aus dem Saal gewesen. Aber um die Information vermitteln zu können, dass der US-Präsident ausgebuht wurde, habe der Korrespondent den Ton nachbearbeitet. Das Mikrofon sei auf den Präsidenten ausgerichtet gewesen und nicht auf den Publikumsraum.
Gniffke verglich die Situation mit Filmbildern, bei denen auch Bildausschnitte vergrößert würden, um Details deutlich zu machen. Wenn Zeitungen Bildausschnitte vergrößerten und mit einem roten Kreis markierten, komme niemand auf die Idee, das Manipulation zu nennen, schrieb er. „Die Tagesschau muss ihre Arbeitsweise immer wieder offenlegen und sich bei Fragen oder Kritik dem Diskurs stellen. Darauf haben unsere User Anspruch.“
Von: Michael Müller