Es war Thema vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr, bei den Sondierungen zu einer Jamaika-Koalition und auch jetzt, kurz vor den Verhandlungen zu einem neuen rot-schwarzen Bündnis, ist der Zankapfel wieder derselbe: Der Familiennachzug von nach Deutschland Geflüchteten.
SPD und Union haben diese Möglichkeit, enge Familienangehörige wie Ehegatten oder Kinder nach Deutschland zu holen, im März 2016 für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiärem Schutz ausgesetzt. So bezeichnet man Menschen, die nicht auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland anerkannt sind – also nicht deswegen, weil sie aufgrund ihrer Religion, politischer Überzeugung oder Rasse in ihrer Heimat gefährdet sind – sondern weil sie anderweitig bedroht sind und ihr Land deshalb verlassen. Das gilt zum Beispiel für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die zwar keine systematische Verfolgung, wohl aber die gefährliche Lage in ihrer Heimat zur Flucht treibt.
Aussetzung gilt bis März
Bis März muss die Rechtslage neu verhandelt werden, denn die Aussetzung haben Union und SPD zunächst für zwei Jahre beschlossen. Auch deshalb ist das Thema nun ein wichtiger Teil der anstehenden Koalitionsverhandlungen – und die Haltung der Gesprächspartner war bis zu den jüngsten Sondierungen konträr. Während die CDU noch auf Nachfrage im vergangenen Jahr immer wieder betonte, den Familiennachzug weiter aussetzen zu wollen und die Schwesterpartei CSU sich schon im Wahlprogramm gegen die Wiedereinsetzung des Familiennachzugs aussprach, warb die SPD in ihrem Programm: „Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie tragen zu einer guten Integration bei. Deshalb werden wir die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern.“
Im aktuellen Sondierungspapier von Union und SPD heißt es nun, der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus solle sehr eng begrenzt werden. Bis es eine Neuregelung gebe, bleibe er ausgesetzt und werde dann auf 1.000 Menschen pro Monat begrenzt. Noch in der vergangenen Woche kündigte die SPD ihrerseits an, bei dem Thema mit der Union nachverhandeln zu wollen, letztere lehnte das zunächst ab.
Weil die Zeit bis zu einer nötigen Neuregelung drängt, war der Familiennachzug auch im Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche Thema. Vertreter aller Fraktionen äußerten sich dazu. So machte die AfD klar, keinerlei Nachzug ermöglichen zu wollen, die FDP plädierte für eine eng begrenzte Härtefallregelung, Linke und Grüne erklärten, den Nachzug wieder grundsätzlich ermöglichen zu wollen.
Kirchen fordern: Familiennachzug zulassen
Für die Kirchen hingegen ist die Sache eindeutig: Protestanten wie Katholiken in Deutschland fordern, dass die Politik den Familiennachzug wieder ermöglicht. Es sei schlecht für die Integration der Menschen, wenn sie sich die ganze Zeit über Sorgen um ihre Verwandten in der Heimat machen müssten, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, im Dezember dem NDR. Berlins Erzbischof Heiner Koch, der zugleich Leiter einer katholischen Komission zum Thema Ehe und Familie ist, erklärte im Tagesspiegel, er halte den Familiennachzug für unbedingt notwendig, denn: „Integration ohne Familie wird nicht gelingen“.
Von: Anna Lutz