Er liebte und er hasste die Kirche: 100. Geburtstag Heinrich Bölls

Heinrich Böll war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit. Der Literaturnobelpreisträger war in der katholischen Religiosität tief verwurzelt. Zu seinem 100. Geburtstag würdigen viele Kommentatoren Bölls Leistung und seine kritische Haltung zur katholischen Kirche, aus der er 1976 austrat.
Von Jörn Schumacher
Wurde am 21. Dezember 1917 in Köln geboren: der Schriftsteller Heinrich Böll

Heinrich Böll wurde am 21. Dezember 1917 in Köln geboren. Er starb am 16. Juli 1985. Der Schriftsteller war gläubiger Katholik, jedoch übte er auch immer wieder Kritik an seiner Kirche. Im Jahr 1976 trat er demonstrativ aus der Kirche aus. Besonders in seinen Büchern „Am Rande der Kirche“, „Der Engel schwieg“, „Und sagte kein einziges Wort“ sowie „Ansichten eines Clowns“ setzte er sich unter anderem mit der katholischen Amtskirche und dem bürgerlichen Katholizismus auseinander. In Bölls bekannter Kurzgeschichte „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ soll jedes Vorkommen des Wortes „Gott“ in einem Vortrag durch die Floskel „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ ersetzt werden.

Anlässlich des 100. Geburtstages schreibt der Theologie-Professor Karl-Josef Kuschel in einem Beitrag für den Tagesspiegel: „Der Glaube war die Konstante in Bölls Leben, radikal frei und auf den Menschen gerichtet. In seiner Literatur hat er ihn transformiert, gefeiert – und die Kirche kritisiert.“ Kuschel war bis 2013 Professor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Universität Tübingen.

Gott sei zu einem Füllwort geworden, kritisierte Böll gegenüber Kuschel, und das sollte seine Murke-Satire verdeutlichen. „Und wenn erst Politiker das Wort Gott aussprechen! Das ist für mich die einzige Form der Blasphemie, die ich noch kenne“, soll Böll gesagt haben. Böll sei „als Kölner nun einmal katholisch geprägt“ gewesen, er wollte jedoch „auf seine ganz eigene Weise Christ sein“. Der Schriftsteller habe „nie christlich sein wollen, wie eine bestimmte Parteipolitik christlich war“. Vielmehr wollte er „die Nachfolge des Nazareners ernst nehmen und sich dem Ethos dieses Menschgewordenen verpflichtet fühlen“.

Böll habe in seinem Werk literarische Figuren erfunden, „die an die katholische Welt gebunden sind“ und damit „wie bei keinem anderen deutschsprachigen Schriftsteller seiner Generation“ eine Transformation des Katholischen erreicht, „eine poetische Verwandlung zu dem, was er die ‚Ästhetik des Humanen‘ genannt“ habe. Böll habe einmal gesagt: „Im Grunde interessieren mich als Autor nur zwei Themen, die Liebe und die Religion. Für beide Themen ist im innerdeutschen Katholizismus kein Platz.“

„Katholische Kirche ist Sprachrohr von CDU/CSU“

Kölns früherer Generalvikar Norbert Feldhoff sagte in einem Interview anlässlich von Bölls Geburtstag, der Schriftsteller habe auf ihn „ein wenig bullig“ gewirkt, „eher wie ein Handwerker als ein Literat und Schöngeist“. In einem Gespräch habe Böll ihm gesagt, er benutze das Wort christlich in seiner Literatur nicht mehr, weil die CDU das im Namen trägt. Feldhoff erklärt: „Er hat der Kirche vor allem vorgeworfen, dass sie sich fast als Sprachrohr von CDU/CSU aufgeworfen, andererseits aber in der jungen Bundesrepublik zu wenig die Stimme erhoben habe etwa gegen die Wiederaufrüstung und bei der Aufarbeitung der Naziverbrechen.“

Obwohl Böll aus der Kirche ausgetreten war, habe er den Wunsch gehabt, nach katholischem Ritus beerdigt zu werden. Auf seinem Totenbett habe der Schriftsteller ein Kreuz in der Hand gehabt. „Nach Bölls Beerdigung habe ich um die 100 Briefe bekommen, die meisten negativ“, berichtet Feldhoff. Dennoch habe auch Rom bestätigt, dass Bölls katholisches Begräbnis nach den Regeln des Kirchenrechts korrekt war.

In einem Nachruf schreibt der Redakteur Thomas Jansen auf der Webseite katholisch.de: „Unter den großen Schriftstellern der deutschen Nachkriegszeit war keiner so katholisch wie er: Heinrich Böll.“ Er fasst zusammen: „Die Frauen heißen bei Böll Maria oder Marie; Priester, Kirchen und Weihwasserbecken gehören zum festen Inventar seiner Werke, und die meisten Hauptfiguren haben Schwierigkeiten, ihr ‚fleischliches Verlangen‘ den rigiden Vorschriften der kirchlichen Sexualmoral zu unterwerfen. So wurde Böll auch zum Chronisten der katholischen Kirche in der jungen Bundesrepublik.“

Die Journalistin Christiane Florin aus der Redaktion „Religion und Gesellschaft“ beim Deutschlandfunk sagte in einem Interview zu Bölls Geburtstag: „Hakenkreuz und Kreuz – diese Motive durchziehen sein Werk. Böll war nicht nur geprägt, er hat auch geprägt. Er war wirkungsvoll und er war gefürchtet, gerade der kritische Christ Böll.“ In einem Text von 1967 bezeichnete er den deutschen Katholizismus als „miesen Verein“, dessen Methoden als „dummdreist“. Florin erklärt: „Die CDU war für ihn das bourgeoise, das entschärfte, das politisch nutzbar gemachte Christentum. Er mochte weder die autoritären Katholiken, die keine Probleme mit der NS-Diktatur hatten, noch die Reformkatholiken.“

Von: Jörn Schumacher

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