Evangelische und katholische Kirche stellten am Freitag in Berlin den zweiten ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit vor. Demnach ist das Recht auf Religionsfreiheit im Nahen Osten und Nordafrika am stärksten bedroht. Dort fänden die meisten gegen Christen gerichteten terroristischen Übergriffe statt. Religiöse Minderheiten litten massiv unter staatlichen Repressionen. In diesem Zusammenhang zeigten sich der katholische Erzbischof Ludwig Schick und die evangelische Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber besorgt über die Entwicklungen nach der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die USA. Schick sprach von einer sehr problematischen Entscheidung. Sie werde den Exodus der Christen aus Israel und den palästinensischen Gebieten weiter fördern. Bosse-Huber nannte die Entwicklung eine „große Gefährdung für den Weltfrieden“. In Ostjerusalem sei schon jetzt eine Verschärfung der Sicherheitslage zu beobachten.
Bosse-Huber erklärte, im Vergleich zu 2013 könne sie keine immens höheren Zahlen verfolgter Christen erkennen, wohl aber eine Verschärfung der Situation vielerorts. In Ländern wie Saudi-Arabien oder dem Iran gebe es für Christen „Einschränkungen bis hin zur Gefahr für Leib und Leben“. In Ägypten, wo Christen als Minderheit zehn Prozent der Bevölkerung ausmachten, könnten sie ihren Glauben zwar praktizieren, es stehe ihnen aber nicht frei, Kirchengebäude zu nutzen oder zu errichten. Christen in Ägypten würden wie „Bürger zweiter Klasse“ behandelt. In vielen islamischen Ländern sei der Wechsel zum Christentum verboten. Etwa im Iran würden Ehen deshalb für ungültig erklärt, sogar Kinder würden aus Familien entfernt.
Religionsfreiheit auch in Deutschland wahren
„Wir setzen uns nicht nur für die Religionsfreiheit von Christen ein“, betonte sie. Die Menschenrechte könnten nur universal verteidigt werden. Der katholische Erzbischof Ludwig Schick stimmte zu und erklärte: „Wir halten es als Christen für unsere Glaubenspflicht, uns für die Religionsfreiheit einzusetzen.“ Das werde ein Dauerauftrag sein, auch in Europa, sagte er mit Verweis auf die Debatte zur Beschneidung vor einigen Jahren. Auch Burka- und Kopftuchdiskussionen sowie Debatten über religiöse Zeichen im öffentlichen Raum beträfen die Religionsfreiheit. „Wir können die Zivilisation nur bewahren, wenn die Religionsfreiheit bewahrt wird“, meint er.
Es gebe drei Grundmotivationen für die Verfolgung von Christen, erklärte Schick. Bestimmte Religionen hätten den Eindruck, neben ihnen dürfe es keine anderen Überzeugungen geben. Dazu zählte er etwa den saudi-arabischen Wahabismus. „Wir stellen bei bestimmten Ausformungen des Islam eine Intoleranz fest“, sagte Schick, plädierte aber für Differenzierung. Gruppen wie Boko Haram und den Islamischen Staat bezeichnete er als „Deformationen des Islam“. Solche Entwicklungen gebe es aber auch im Christentum. Christenverfolgung trete außerdem dann besonders häufig auf, wenn Staaten so eng mit einer Religion verbunden seien, dass andere keinen Raum hätten, etwa in Myanmar. Drittens empfänden besonders autoritäre Regime das Christentum häufig als Störfaktor und setzten deshalb vieles daran, es zu unterdrücken.
Kritik an Open Doors
Ziel des Berichts der Kirchen sei es nicht, Zahlen zu nennen, sondern die Wurzeln für Christenverfolgung deutlich zu machen. Der ökumenische Bericht erschien nun nach 2013 zum zweiten Mal und in Kooperation beider Volkskirchen. Er versteht sich unter anderem als Alternative zum Weltverfolgungsindex der christlichen Hilfsorganisation Open Doors. Die Verantwortlichen übten in diesem Sinne Kritik am Index: Zu pauschal würde im Open Doors-Bericht von Christenverfolgung gesprochen. Außerdem verzichteten die Kirchen im Gegensatz zur Hilfsorganisation drauf, religiöse Verfolgung in Zahlen zu messen. Open Doors beklage eine Verdopplung der Zahl verfolgter Christen innerhalb eines Jahres. Das widerspreche der Datenlage, erklärte Bosse-Huber.
Beide Kirchenvertreter zeigten sich zurückhaltend, was die Installation eines Beauftragten für Religionsfreiheit angeht. Vertreter verschiedener Parteien und Kirchen hatten ein solches Amt in der Vergangenheit gefordert. Sowohl Schick als auch Bosse-Huber erklärten, sie könnten die Einrichtung eines Beauftragten unter Umständen befürworten, zunächst müsse aber geklärt werden, welche Aufgaben er hätte und ob diese nicht bereits an anderen Stellen bearbeitet würden.
Von: Anna Lutz