Einer meiner Nachbarn war immer der eifrigste und früheste, wenn es um die Weihnachtsdekoration ging. Bereits in der Woche vor dem Ewigkeitssonntag hing er mit einem Fuß auf der Stehleiter an der Dachrinne, mit bunten Lichterketten behangen, um die Weihnachtssaison mit üppiger Illumination aus dem Baumarkt energieträchtig einzuläuten. Lichterketten vor dem Ewigkeitssonntag, das geht nun gar nicht. Ich habe vergeblich versucht ihm den Sinn des Ewigkeitssonntags zu vermitteln.
Mit fetter Soundanlage durch die Terrassentür
Ewigkeitssonntag ist der letzte Tag im alten Kirchenjahr. Ein Tag des Gedenkens, ein Tag der Trauer und der Besinnung. In unserer Familie seit langer Zeit ein musikalisches Ritual. Alle Jahre wieder freue ich mich, das Ende des Kirchenjahres mit Barockmusik zu beschließen und das neue Kirchenjahr musikalisch einzuläuten. Dann beatmen wir die Nachbarschaft über die fette Soundanlage durch die offenen Terrassentüren und lassen sie teilhaben an unserer Meditation. Eines meiner Lieblingslieder für diesen Tag ist das herzbewegende „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth!“ aus dem deutschen Requiem von Brahms. Und die Bachkantaten „Ich hatte viel Bekümmernis“ (BWV 21) und „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu Dir“ (BWV 131) dürfen nicht fehlen. Damit beschließen wir feierlich das Kirchenjahr.
Und dann kann ich es kaum abwarten, am Abend vor dem ersten Advent das neue Kirchenjahr festlich einzuläuten. Dann zieht uns der Eröffnungsjubel des wohl gewaltigsten Tonwerkes der Barockepoche aus der Depression. Da katapultiert uns das „Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage, lasset das Zagen, verbannet die Klage“ (BWV 248) in einem tonalen Feuerwerk ins neue Kirchenjahr. Und von dieser Stunde an begleitet uns das Weihnachtsoratorium durch die festreiche Zeit bis Epiphanias im neuen Jahr. Herbert Grönemeyers „Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist“ gibt das Volumen vor. Ich kann es kaum abwarten. Mit dieser Musik im Ohr kann ich wieder glauben, dass die Kirche vielleicht ihre beste Zeit noch vor sich hat.
von: Jürgen Mette