Religion hat politischen Auftrag

Religion ist immer politisch, weil sie das Handeln der Menschen prägt. Das hat der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide am Montag in Berlin erklärt. Auch der Islam habe einen politischen Auftrag, der habe aber nichts mit Islamismus zu tun.
Von PRO
Religion ist immer politisch, sagt Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide

Der Islamwissenschaftler in Münster, Mouhanad Khorchide, erklärte bei einer religionspolitischen Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin, Religionen seien von ihrer Natur her politisch, weil sie individuelles und gesellschaftliches Handeln prägten. „Natürlich hat auch der Islam einen politischen Auftrag“, sagte er. Das habe aber nichts mit Islamismus zu tun. Islam, Christentum und Judentum verbinde die Nächstenliebe. Khorchide forderte deshalb eine Koalition religiöser Akteure gegen gesellschaftlichen Hass. „Religionen verbinden“, sagte Khorchide. Sie böten die Kraft, Gemeinschaften zusammenzuhalten.

Diese Tatsache habe aber eine Kehrseite: Wo soziale Kategorien versagten, griffen religiöse, sagte Khorchide und bezog dies etwa auf die Debatte darum, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Wer ausgegrenzt werde, wende sich verstärkt einer Halt gebenden und Gemeinschaft stiftenden Religion zu. Vor allem fundamentalistische Gruppen gewönnen auf diese Weise Anhänger. So werde Religion zu einem trennenden Element. Deshalb sei es die Aufgabe von Religionspolitik, dass sich auch Minderheiten entfalten könnten und sich in ihrer Identität angenommen fühlten. Khorchide erklärte weiter, besonders nichtinstitutionalisierte Formen von Religion gewönnen an Bedeutung. So besuche weniger als ein Viertel der jugendlichen Muslime eine Moscheegemeinde. „Noch ein oder zwei Generationen, dann stehen wir vor leeren Moscheen“, sagte er.

Nichtreligiöse verdienen Beachtung

Jährlich lädt die Friedrich-Ebert-Stiftung zu einer religionspolitischen Tagung ein. In diesem Jahr stand sie unter der Überschrift „Religion verbindet – Religion trennt“. Gast war auch Arik Platzek vom Humanistischen Verband Deutschlands. Religion werde auch auf lange Sicht nicht verschwinden, erklärte er. Wertegemeinschaften wie Kirchen hätten ein wichtiges Mitspracherecht in der Gesellschaft, etwa in moralischen Fragen. Allerdings gelte dies genauso für nichtreligiöse Gruppen. Auch diesen gebühre Beachtung. Er plädierte dafür, statt von Religionen von Weltanschauungen zu sprechen, weil diese Formulierung Religionsdistanzierte mit einschließe. Religionen insgesamt empfinde er vor allem mit Blick auf die Flüchtlingskrise eher als verbindendes denn als trennendes Element.

Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci sieht einen „Orientierungsnotstand in Deutschland“. Gerade hier seien religiöse Gemeinschaften wichtig, um Werte zu vermitteln. „Das Zauberwort lautet Vielfalt“, sagte er. Humanismus dürfe nicht „antikirchlich“ bedeuten. Ziel sei es, dass Religiöse und Nichtreligiöse nebeneinander „gut zusammen leben“. Die Grenze sei da, wo Religion das Leben anderer störe, etwa, wenn ein schulischer Schwimmunterricht boykottiert werde. Die Kirchen ermunterte er dazu, eine offene Debattenkultur zu pflegen, etwa wenn es um Flüchtlingspolitik gehe. Es sei wichtig, dass Christen Werte vermittelten. Dennoch müsse die Kirche auch die zu Wort kommen lassen, die anderer Meinung seien, um sie nicht an radikale Kräfte zu verlieren.

Von: Anna Lutz

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