„Meine Tochter hatte meine Unachtsamkeit mit ihrem Leben bezahlt.“ Mit diesen Worten beschreibt der Musiker Arne Kopfermann den Autounfall, der das Leben seiner Familie im September 2014 für immer veränderte. Kopfermann ist mit seiner Frau Anja und den Kindern Tim und Sara im Urlaub an der Ostsee, als die Familie am frühen Morgen in einen Freizeitpark fahren will. Beim Linksabbiegen übersieht der Vater ein entgegenkommendes Fahrzeug. Es kommt zur Kollision, Kopfermanns Wagen wird schwer beschädigt. Die zehnjährige Sara ist als einzige schwer verletzt – ab dem Moment des Aufpralls ist sie nicht mehr ansprechbar und wird in ein Krankenhaus nach Lübeck geflogen.
Noch zehn Tage bangen und beten die Kopfermanns auf der Intensivstation um Saras Leben, machen ihre Not auf Facebook öffentlich, bekommen Anteilnahme aus dem In- und Ausland. Dann ist der Kampf verloren.
Liebe Freunde, heute Morgen haben wir drei und Tante Maren von unserer kleinen Sara Abschied genommen. Ganz sanft hat ihr Herz aufgehört zu schlagen. Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus (Phil. 4,7). Bitte hört nicht auf, für uns zu beten.
Drei Jahre ist es her, dass Arne Kopfermann diese Worte auf Facebook schrieb. Über die Trauer in dieser Zeit erzählt er in seinem Buch „Mitten aus dem Leben“, das zu schreiben für ihn wie eine zweite Therapie gewesen sei. „Viele Puzzleteile meines Lebens sind auseinandergerissen worden und müssen erst langsam wieder zusammengefügt werden“, berichtet er. Es ist Kopfermanns Art der Trauer, sein Leid öffentlich zu machen – er weiß, dass seine Frau und sein Sohn den Verlust anders verarbeiten. „Der Lohn ist, Menschen zu berühren, wie das nur gelingt, wenn man anderen tiefe Einblicke in die eigene Seele gewährt. Und dass andere Leidende sich auf einmal nicht mehr so allein und isoliert fühlen, weil jemand anderes dieselben Empfindungen in Worte fasst, die sie auch verspürt haben, oft ohne dafür selbst Worte zu finden“, reflektiert Kopfermann. Einer theologischen Deutung, Saras Tod habe deswegen einen Sinn gehabt, erteilt der Autor eine klare und mutige Absage: Geradezu „pervers“ erscheine ihm ein solcher Gedanke. „Der Unfall ist nicht passiert, damit Menschen Trost aus unserer Geschichte ziehen können, und ich glaube nicht, dass für Gott der Zweck die Mittel heiligt. Ich verstehe unseren Verlust immer noch nicht, ich finde ihn falsch und viel zu früh.“
Gemeinden müssen Zweifel und Klage zulassen
Kopfermann ist einer der bekanntesten christlichen Musiker Deutschlands, Komponist von Liedern, die aus den Gottesdiensten vieler Gemeinden nicht mehr wegzudenken sind. Im Buch geht er kritisch auf den nach seiner Sicht oft unzureichenden seelsorgerlichen Umgang in Gemeinden mit dem Thema Leid ein. Höhen und Tiefen sowie wechselnde Gefühle passten in manchen Kreisen schlicht nicht zum Leben eines reifen und siegreichen Christen. „Statt uns mit unserer Irritation und Unsicherheit, mit unseren offenen Fragen und Klagen an Gott zu wenden, lassen wir diese sehr realen Empfindungen daher lieber unter den Tisch fallen und geben uns der Hoffnung hin, dass sie von allein verschwinden, wenn wir es uns nur lange genug einreden“, beobachtet er. Krisen und Unsicherheiten jedoch verschwänden nicht von alleine. „Und die mitunter schlagerhaft überzeichneten Texte unserer Anbetungslieder machen es Menschen in realen Krisen sehr schwer, in einem langsamen Prozess das Vertrauen auf Gott wieder zurückzugewinnen, wenn es durch selbst- oder fremdverschuldete Erlebnisse und Brüche in unserer Biografie ins Wanken geraten ist.“
Entsprechend finden sich auf Kopfermanns neuem Album Lieder, die Verzweiflung und Unverständnis gegenüber Gott zum Ausdruck bringen. „Wie kann ich dir noch trauen? / So handelt doch kein Vater / Ich steh benommen auf verbranntem Land“, heißt es in einem Musikstück, und weiter:
Doch du bist so wirklich wie mein Schmerz. Und so nah wie meine Tränen. Du bist so stark wie nur die Liebe. Bleibst wahr trotz meiner Fragen. Und ich ruh im Wissen, dass du weißt.
„Eigentlich möchte ich nicht für den Rest meines Lebens Trauerbarde oder inspirierender Redner in Sachen Schmerz und Verlusterfahrungen sein“, schreibt Kopfermann. „Aber beides ist jetzt fester Bestandteil meines Lebens. Ich habe selbst die Wahl, ob ich daran zerbreche oder zulasse, dass meinem Leben eine neue, heilsame Richtung gegeben wird.“
Arne Kopfermann gibt in seinem Buch einen tiefen und bewegenden Einblick in sein Seelen- und Familienleben. Erschütternd ehrlich schildert er den unbegreiflichen Schmerz, der mit dem Tod des eigenen Kindes einhergeht. Beim Schreiben, so sagt er, hätten sich die Seiten mit Tränen gefüllt – beim Lesen wiederholt sich dies.
Sara Kopfermann starb am 13. September 2014, einen Tag vor ihrem elften Geburtstag.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe 5/2017 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos und unverbindlich unter Telefon 06441-915-151, per E-Mail an info@kep.de oder online.
Von: Moritz Breckner
2 Antworten
Wein oder Weinen ?
Nicht warum ich ?
sondern
Warum ich nicht auch ?