Der Berufsweg von Anne-Carolin Hopmann ist keineswegs vorgezeichnet. Dass sie Theologin geworden ist, hat sie selten bereut. Das verdeutlicht ihr Buch „Der Hamster ist tot und die Glocken läuten“, das im Verlag orell füssli erschienen ist. Es verdeutlicht auch, wie flexibel Pfarrer heute sein müssen.
Die Autorin mag die Freiheiten ihres Berufs, zugleich sind sie eine Herausforderung. Gemeinsam mit der Theologin erlebt der Leser eine typische Berufswoche. Von Montag bis Sonntag gibt es keinen „normalen” Tag. Dafür birgt der Beruf zu viele Überraschungen. Die Autorin beschäftigt sich aber auch mit Formen und Strukturen ihrer Kirche und rät zu Veränderungen.
Sich selbst reflektieren und auf Neues einlassen
Ihr Beruf ist für Hopmann auch eine Berufung – und ein stetiger Prozess. Für sie bedeutet es, sich selbst zu reflektieren und sich auf Neues einzulassen. Da kann es sein, dass der freie Montag flach fällt, weil ein vertrautes Gemeindemitglied stirbt oder andere Menschen sie fordern. Andererseits mag sie es, wenn sie einen Vertrauensvorschuss erhält oder mit kirchenkritischen Menschen diskutieren darf.
Seit 2005 ist sie Pfarrerin im schweizerischen Rüschlikon. Hopmann freut sich, wenn sich die Menschen in ihrer Gemeinde mit dem Glauben auseinandersetzen. Trotzdem weiß sie, dass der Einfluss der Kirchen sinkt. Sie hofft, dass Kirche wieder mehr in Herz, Verstand und Gottvertrauen investiert, statt in Formen und Strukturen. Außerdem müsse Kirche Raum für Zweifler bieten.
Sie selbst ist in einer Familie aufgewachsen, die dem Thema grundsätzlich offen gegenüberstand. Für sich selbst hat Hopmann das Bild verinnerlicht, dass man so zu Gott kommen kann, wie man nach Hause kommt. Ganz wichtig für eine christliche Erziehung ist laut Hopmann das Erfahren von Gemeinschaft. Und das möchte sie in ihrer Arbeit umsetzen: mit Konfirmanden, mit Alten und mit den Menschen, die sie als Pfarrerin brauchen.
Offenes Pfarrhaus praktizieren
Als Segen und Fluch zugleich erlebt Hopmann die Residenzpflicht der Pfarrer. Sie freut sich, dass ihre Familie die Idee des offenen Pfarrhauses unterstützt und mitgeht. Immer verfügbar zu sein, wenn einfach mal geklingelt wird, hat aber auch seine Schattenseiten. Die Pfarrerin möchte Miteinander fördern und Zufluchtsorte anbieten. „Manchmal ist es beschämend, wie gerade Christen miteinander ins Gericht gehen und kein gutes Haar am anderen lassen“, beobachtet sie ein recht aggressives und herablassendes Verhalten.
Kirche darf für sie auch ein Ort sein, an dem einfach nur Alltag miteinander gelebt wird. Schade findet sie, wenn Jugendliche in ihren Erfahrungen im Glauben von den Eltern allein gelassen und nicht begleitet werden. Kirche sei wahrlich keine heile Welt, aber für viele ein wertvoller Ort – Glauben zu leben und ihn auch zu hinterfragen. Zudem solle Kirche christliche Positionen in die Gesellschaft hineintragen.
Das sind ganz schön gehaltvolle Botschaften für eine Pfarrerin, die sich selbst als liberal bezeichnet. Hopmann ist es wichtig, dass der Glaube auch in den Grenzerfahrungen tragfähig sein kann. Dafür sei eine gute und sorgfältige Seelsorge notwendig. Gerne wolle sie auch bei Beerdigungen der „Anwalt der Hoffnung“ sein. Das Buch hat noch einmal einen völlig neuen Blick auf den Pfarrberuf eröffnet. Es zeigt die Überraschungen des Alltags, die Vielfalt und auch die Herausforderungen.
Das Buch ist gut lesbar, wofür vor allem die alltäglichen Erlebnisse der Pfarrerin sorgen, mit denen sich auch Kirchenferne identifizieren können. Etwas mühsam zu verstehen sind hier und da die schweizerischen Begriffe, und auch der Preis von 30 Euro wird sicher einige interessierte Leser vom Kauf des Buchs abschrecken.
Anne-Carolin Hopmann: „Der Hamster ist tot und die Glocken läuten“, orell füssli, 30 Euro, ISBN 9783280056653
Von: Johannes Weil