Presserat kritisiert Bild-Zeitung und andere

Der Deutsche Presserat hat auf seinen Beschwerdeausschuss-Sitzungen wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex insgesamt neun öffentliche Rügen ausgesprochen. Die Bild-Zeitung hatte unter anderem eigenständig eine Fahndung gegen Demonstranten ausgerufen.
Von Jörn Schumacher
Der Deutsche Presserat sprach insgesamt neun Rügen aus, 22 Missbilligungen und 33 Hinweise

Der Presserat hatte zu einem Aufruf der Bild-Zeitung im Juli 11 Beschwerden erhalten, die eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte von abgebildeten Personen kritisierten. Das Boulevard-Blatt hatte in der Printausgabe sowie online Fotos von Demonstranten beim G20-Gipfel in Hamburg abgebildet und dazu geschrieben: „Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher?“ Die Mitarbeiter der Zeitung riefen damit die Leser zur Fahndung nach den Personen auf. Aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an dem Geschehen in Hamburg sah der Presserat keinen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex gegeben. Die Demonstranten mussten damit rechnen, dass sie während des Ereignisses fotografiert werden, teilte der Deutsche Presserat mit. Jedoch verstoße die Art der Darstellung in Verbindung mit dem Fahndungsaufruf gegen den Pressekodex. Die Abgebildeten würden hierdurch an einen öffentlichen Medienpranger gestellt. „Es gehört nicht zur Aufgabe der Presse, selbständig nach Bürgern zu fahnden, ohne dass ein offizielles Fahndungsersuchen seitens der Staatsanwaltschaft vorliegt“, erklärten die Experten vom Presserat und sprachen eine Missbilligung aus.

Eine Rüge wegen diskriminierender Berichterstattung erhielt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Die Zeitung hatte sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe einen Kommentar unter der Überschrift „Wir verraten alles, was wir sind“ über die Ehe für alle und damit verbundene Änderungen im Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften veröffentlicht. In dem Kommentar wurden in Form einer rhetorischen Frage aus Sicht des Presserats die Behauptungen aufgestellt, dass adoptierte Kinder aufgrund einer wegfallenden „Inzest-Hemmung“ ungleich stärker der Gefahr eines sexuellen Missbrauchs ausgesetzt seien und dass diese Gefahr bei homosexuellen Eltern aufgrund ihrer Homosexualität besonders hoch sei. Diese Behauptungen, für die es nach Auffassung des Presserats keinen wissenschaftlichen Beleg gibt, entfalten nach Meinung der Experten eine diskriminierende Wirkung gegenüber Homosexuellen und stellen einen schweren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex dar. Über den Kommentar hatten sich 31 Leser beim Presserat beschwert.

Bild-Zeitung veröffentlichte Porträts von Terror-Opfern

Drei Rügen sprach der Presserat gegen Berichterstattungen über den Terroranschlag bei einem Konzert in Manchester aus. Die Bild-Zeitung hatte unter Namensnennung und mit Porträtbild detailliert über zwei einzelne Opfer berichtet. Es bestand nach Auffassung des Presserats kein öffentliches Interesse an der identifizierbaren Darstellung der Opfer. Außerdem lag offenbar keine Einwilligung der Angehörigen zur Verwendung der Bilder vor, und es handelte sich nicht um Personen des öffentlichen Lebens.

Ebenfalls gerügt wurde Bild Online für die Berichterstattung unter der Überschrift „Mutter weiß nicht, dass Saffi nicht mehr lebt“. Ausführlich dargestellt wurde das Schicksal eines minderjährigen Opfers mit Foto und Namensnennung. Auch diese Darstellung ist nicht mit dem Opferschutz vereinbar. Ethisch problematisch war für den Presserat auch der Umstand, dass laut Artikel die Mutter, die wegen des Anschlags selbst auf der Intensivstation lag, noch nicht über den Tod ihres Kindes informiert war.

Insgesamt sprach der Deutsche Presserat neun öffentliche Rügen aus, 22 Missbilligungen und 33 Hinweise. Sechs Beschwerden wurden als begründet bewertet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, 60 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. (pro)

Von: js

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