Was motiviert eigentlich Leute dazu, teils 20 Stunden im Flugzeug zu sitzen, nur um auf der Spielemesse Gamescom in Köln ein paar Spiele zu spielen?
Wollen sie ein langersehntes Spiel testen? Oder wollen sie ihren Freunden daheim sagen, zu den ersten gehört zu haben, die das neue Lieblingsspiel in Europa ausprobiert haben? Ist die Atmosphäre, die Gamer in ihrer Community genießen, der Grund, warum sie nach Köln reisen?
Ganz gleich, welche Motive ein Einzelner hat, und ganz gleich, warum man die Gamescom in diesem Jahr erleben möchte: Fest steht, dass die Messe größer und besser sein soll als in den Jahren zuvor. Spieleentwickler locken mit immer leistungsstärkeren Konsolen, und mit einer entsprechend immer besser werdenden Grafik der Spiele.
Spieleentwickler stehen heute vor der Herausforderung, zwischen hunderten Konkurrenten und tausenden von neuen Spielen hervorstechen zu müssen. Gerade, weil die Fortschritte im technischen Bereich die gesamte Branche erfasst haben, ist das nicht einfach.
Eine Frage, die auf der Gamescom heftig diskutiert wurde, ist ethischer Natur: Kann ein Spiel auch zu realistisch sein? Gibt es eine Grenze, die die Spieleentwickler nicht überschreiten dürfen – und wenn ja, wer zieht die rote Linie?
Kann man es noch als „Spiel“ bezeichnen, wenn der Nutzer mit einer Brille für virtuelle Realität in einem extrem plastischen Kriegssimulator Menschen töten muss?
Dieses Thema ist unter Gamern sehr umstritten. Solange die Spieleentwickler solche Produkte auf den Markt bringen, ist jeder herausgefordert, sich ein eigenes Bild zu machen und Position zu beziehen.
So brutal läuft ein neues Spiel ab
Trotz dieser Debatte, stellte beispielsweise Sony das Spiel „Detroit – Become Human“ auf der Gamescom der Öffentlichkeit vor. Das Spiel zeigt ein dystopisches Bild unserer Gesellschaft: Der Spieler steuert einen menschenähnlichen Roboter (Android) ohne Gefühle, Einsicht oder Emotionen. Abgesehen von diesen Mängeln ist der Android ein „perfekter“ Mensch, wie es in der virtuellen Welt von Detroit beschrieben wird.
Der Android, den der Spieler steuert wird direkt zu Anfang des Spiels als Ermittler zu einem Tatort mit zwei Leichen geführt. Dort muss er Spuren analysieren und erfährt, dass ein kleines Mädchen entführt wurde. Sobald er weiß, wer der Täter ist und seine Motive kennt, kann man diesen konfrontieren. Der Täter steht auf dem Dach eines Hochhauses und hält eine Pistole an den Kopf des kleinen Mädchens.
Nun muss der Spieler durch Überzeugungskraft den Täter davon überzeugen, nicht zu springen, indem er sich entscheidet, wie er diesen am besten anspricht. Hier hat er die Möglichkeit, dem Geiselnehmer zum Beispiel Recht zu geben, Einfühlsamkeit zu zeigen oder ihn zu beschimpfen. Lange kann der Spieler jedoch nicht überlegen, da mit jeder Sekunde, die vergeht, das Schreien des Mädchens lauter und somit der Täter unruhiger wird.
Sollte der Spieler ein falsches Wort sagen, kann man dem hilflosen Kind nicht mehr helfen und muss dabei zusehen, wie ein unschuldiges Mädchen durch das eigene Versagen in den Tod stürzt.
Durch dieses interaktive Spielerlebnis bringt Sony einer der ersten Spiele der „neuen Generation“, so die Selbstbeschreibung, auf den Markt. In dieser „neuen Generation“ bestimmen die Spieleentwickler keinen engen Pfad, der vom Charakter unbedingt genommen werden muss, sondern nun entscheidet der Spieler durch seine Aktionen selbst, welchen Weg er gehen möchte.
Die komplette Handlung ändert sich aufgrund den Entscheidungen, die der Spieler vielleicht unbewusst gemacht hat. Diese Spiele haben nicht, wie früher, nur ein Ende, nur einen Weg, wie man das Spiel gewinnen kann, sondern mehrere Enden, hunderte mögliche Kombinationen. Kurz gesagt: Die Spiele in der „neuen Generation“ werden immer mehr wie das echte Leben, immer realistischer.
Was bleibt von dieser Rekord-Gamescom, die am Samstag mit mehr als 350.000 Besuchern aus 106 Ländern zu Ende ging? Ein Lob von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die digitale Spiele als „Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor von allergrößter Bedeutung“ anpries. Die mahnenden Worte der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), wonach jeder zwölfte männliche Jugendliche und junge Erwachsene zwischen zwölf und 25 Jahren von Computerspielen abhängig sei. Und natürlich jede Menge neue Spiele, deren teils diskussionswürdige Inhalte Spieler vor ethische Herausforderungen stellen können. (pro)
Von: Jonah Trees