Immer wieder initiieren Institutionen auf höherer, offizieller Ebene interreligiöse Dialoge. Diese sollen ein friedliches Miteinander zwischen den Religionen bewirken. Die Islamwissenschaftlerin Mirjam Holmer sieht jedoch persönliche Begegnungen etwa zwischen Christen und Muslimen als den zielführenderen Weg an. Diese Gespräche passierten so auf freundschaftlicher und seelsorgerischer Ebene. Christen könnten Muslimen erklären, wie sie mit ihren Problemen umgehen und damit auch zu ihrem Gott kommen, der sie höre.
Normalerweise seien Muslime angehalten, „nicht selbst zu denken, da der Koran schon als vollkommen gilt“, erklärt Holmer in ihrem Vortrag „Der Islam – Was Christen wissen sollten“ bei der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg. Doch es gebe Stellen im Koran, die sich mit Zweifeln befassen. An ein paar Stellen fordere der Koran tatsächlich Muslime zum Bibellesen auf. In Sure 10,37 und 94 steht: „Der Koran bestätigt das, was vor ihm offenbart wurde. […] Bist du im Zweifel über etwas, was wir dir jetzt offenbart haben, so frage nur die, welche die Schrift vor dir gelesen haben.“ Hier gibt es die Weisung des Korans, dass Muslime Christen und Juden bei Zweifeln fragen sollten.
Holmer: Koran spricht von Verheißung des Landes Israels für Juden
Falls Christen einmal im Koran lesen wollten, empfiehlt Holmer die Sure 12. Diese befasse sich mit der Geschichte des Josef aus islamischer Sicht. Sie habe eine chronologische Abfolge und der Leser könne sie so einfach erfassen. Andere Suren seien für Leser ohne Vorkenntnisse oft schwer greifbar, da diese meist nicht ohne Zusammenhang zu verstehen seien. Eine Buchempfehlung für Interessierte, um sich näher mit dem Thema Islam auseinanderzusetzen, gab Holmer auch: „Der Islam: Eine Einführung“ von der Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher.
Im Koran komme an zwei, drei Stellen explizit vor, dass das Land Israel den Juden verheißen sei, erklärte die Wissenschaftlerin, die auch für den Christlichen Medienverbund KEP als Journalistin aus Israel berichtet. Noch 1920 war in den Reiseführern der Wakf, der islamischen Aufsichtsbehörde für den Tempelberg, völlig unbefangen vom „Tempelberg“ zu lesen, und dass sich an diesem Ort der salomonische Tempel befand. Heute negierten palästinensische Führer, dass es auf dem Tempelberg je einen jüdischen Tempel gegeben hat.
Koran und Bibel nicht vergleichbar
Koran und Bibel seien auch nicht direkt vergleichbar. Das, was für Christen Jesus sei, sei für Muslime der Koran. Und das, was für Christen die Bibel sei, seien für Muslime die Sunna und die Hadithen. Das ist eine Sammlung von Aussprüchen und Vorschriften Mohammeds und der ersten vier Kalifen. Sie gehe über den Koran hinaus und beantworte Fragen, die durch das Lesen des Korans offen bleiben.
Jedoch gebe es auch das Prinzip der Abrogation: Koran, Sunna und Hadithen könnten durch später notierte Verse aufgehoben werden. Der muslimische Prophet Mohammed habe am Anfang seines Wirkens in Mekka friedlich versucht, eine Anhängerschaft zu gewinnen. Nachdem ihm dies nicht gelang, wurde er später in Medina gewalttätiger. Daher komme es, dass es friedliche und kämpferische Suren gibt: mekkanische und medinensische Suren. Die später „offenbarten Verse“ hätten die früheren wieder aufgehoben und gelten als verbindlich.
Holmer erzählte während ihres Vortrags eine Geschichte von zwei Türkinnen, die geschockt waren über die Gewalttätigkeit des muslimischen Propheten Mohammed. Die Frauen hätten sich unabhängig voneinander eine Bibel gekauft und seien zum Glauben an Jesus gekommen.
Keine Reformation im Islam in Sicht
Holmer erläuterte zudem, dass es keine historisch gesicherten Daten über Mohammed gebe. Alle Daten würden sich allein auf muslimische Schriften beziehen. Islamwissenschaftler sagten sinngemäß: „Wenn wir nur halb soviel historisches Material hätten, wie es zur Bibel gibt, dann würden wir keine historisch-kritische Methode durchführen.“ Die Geschichte des Islam könnten sie also nur aufgrund muslimischer Quellen schreiben.
Ob eine Reformation im Islam möglich sei, war eine weitere Frage aus dem Publikum. Holmer sagte, sie sehe momentan keine Bewegung, aus der sich eine Reformation entwickeln könnte. Zwar gebe es immer wieder Vorstöße, auch hier im Westen, aber diese würden nicht von den Gelehrten im Nahen Osten anerkannt.
Christen müssen für ihren Glauben einstehen
Aus dem Publikum gab es eine weitere Frage, ob es problematisch sei, dass viele muslimische Flüchtlinge nach Deutschland und Europa kämen. Holmer sagte, dass zwar nicht alle Flüchtlinge integrationsbereit seien. Jedoch sehe sie ein anderes Problem: Christen würden in Deutschland leider oft nicht klar für ihren Glauben einstehen. „Wir müssen Muslimen sagen und zeigen, was unsere Werte sind.“ Somit könne man auch Orientierung für die Flüchtlinge schaffen. Auf die Fragen, wie jedermann einem Muslim begegnen solle, sagte Holmer lakonisch: „Seien Sie ein Mensch.“ (pro)
Von: mab