Im April erging das Verbot der Zeugen Jehovas in Russland, welches zuvor vom Justizministerium beantragt wurde. Die Staatsanwaltschaft legte der Religionsgemeinschaft zur Last, in verteilten Broschüren zum Hass aufgerufen zu haben. Die Zeugen bestritten das und wehrten sich mittels Berufung vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser wies die Klage ab. Damit ist das vorinstanzliche Urteil rechtskräftig und soll vollzogen werden.
In den vom Gericht als extremistisch eingestuften Schriften kritisieren die Zeugen Jehovas die Theologie und Praxis der Russisch-Orthodoxen Kirche. Dies wurde sowohl von der russischen Gesellschaft als auch von der orthodoxen Glaubensgemeinschaft als großer Affront wahrgenommen. Nach eigenen Angaben haben die Zeugen Jehovas in Russland 175.000 Mitglieder. Das Vermögen und die Liegenschaften der Gemeinschaft, darunter die Zentrale in der Nähe von St. Petersburg, sollen in russischen Staatsbesitz übergehen. Aus Sicht der Zeugen Jehovas bedeutet das Urteil das „Ende der Religionsfreiheit“ in Russland.
Diskriminierung auch in der Gesellschaft
Das Büro der Zeugen Jehovas in Russland berichtet über Diskriminierungen von staatlichen Organen und auch der russischen Gesellschaft. Es zitiert den Direktor des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Warschau, Michael Georg Link, mit den Worten: „Ich fordere die russischen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit von Personen, die den Zeugen Jehovas angehören, gemäß den Pflichten des Landes unter internationalem Menschenrecht und OSZE-Verpflichtungen geschützt werden“.
Die Glaubensgemeinschaft kann sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wenden. Dieser Urteilt auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention, der sich auch Russland unterworfen hat.
Max Klingberg von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sagte gegenüber pro zu dem Urteil vom April, dass die die Zeugen Jehovas zwar keine unmittelbare Bedrohung für die Russische Föderation oder für andere Staaten darstellten. „Aber sie sind eine Gruppe, die von einer Regierung nicht kontrollierbar ist.“ Deswegen überrasche ihn das Verbot nicht. (pro)
Von: dsp