Antikommunismus liegt nicht im Trend

Noch immer tun sich viele Deutsche schwer, sowjetische Verbrechen der Vergangenheit als solche zu bezeichnen. Mitunter fällt auch die Evangelische Kirche durch russlandfreundliche und anti-amerikanische Äußerungen auf, heißt es in einem Meinungsbeitrag in der Zeitung Die Welt.
Von PRO
Von manchen EKD-Vertretern hört man wenig Russland-Kritik

An der Beurteilung der russischen Politik scheiden sich in Deutschland die Geister. Entweder steht man auf der Seite des Landes im Osten oder unterstützt den ewigen Gegner Amerika. Auch Amtsträger der evangelischen Kirche positionieren sich politisch und äußern sich russlandfreundlich, schreibt Gerhard Gnauck in seinem Kommentar „Russlandblind“ in der Tageszeitung Die Welt.

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, äußerte sich in einem Interview mit evangelisch.de zum angespannten Verhältnis zwischen der NATO und Russland und zur daraus resultierenden Besorgnis der baltischen Staaten. „Wir müssen zudem bedenken, dass die Geschichte die momentane Situation begleitet: die baltischen Länder haben ja auch den Hitler-Stalin-Pakt erlebt, der sie im Stich gelassen hat“, sagte Brahms. Der deutsch-sowjetische Hitler-Stalin-Pakt während des Zweiten Weltkriegs garantierte dem Deutschen Reich damals die sowjetische Neutralität bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Polen und den Westmächten. Ein geheimes Zusatzprotokoll „für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung“ gestattete der Sowjetunion, im Ersten Weltkrieg, verlorene Territorien des Russischen Kaiserreichs wiederzugewinnen. Es erklärte Ostpolen, Finnland, Estland und Lettland zu sowjetischem Interessengebiet, Westpolen und Litauen zur deutschem.

Verbrechen schön reden sei leugnen

„Im Stich gelassen“ – sanfter könne man die Kriegsverbrechen der Sowjetunion und der Nationalsozialisten an den baltischen Staaten nicht umschreiben oder gar leugnen, beurteilt Gnauck in seinem Kommentar die Aussage des Friedensbeauftragten. Doch Renke ist nicht der Einzige in der EKD, der durch die Verharmlosung sowjetischer Kriegsverbrechen auffällt.

Gnauck wirft neben Brahms auch der EKD-Reformationsbeauftragten Margot Käßmann vor, die vergangenen und gegenwärtigen Fehler der russischen Politik herunterzuspielen. So habe sich Käßmann seit drei Jahren nicht zum Krieg in der Ukraine – dem dominierenden Konflikt im Osten Europas – geäußert. Dafür habe sie aber die Abschaffung der Frauenordination in Lettland einen „Skandal“ genannt und im Zusammenhang gefordert, „die Kontakte zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands infrage zu stellen“. Erläutert wird der Streit unter den lettischen Lutheranern auf der Internetseite evangelisch.de zudem wie folgt: „Nach Ende des Zweiten Weltkriegs führte der Einfluss der Sowjetunion den größten Teil der lettischen Pfarrer ins Exil.“ Erneut stellt sich laut der Zeitung die Frage, warum die sowjetischen Verbrechen, die 200.000 Menschen dazu brachten, zu fliehen, mit „ins Exil führen“ beschrieben werden.

Der Autor des Artikels stellt fest, dass es immer noch einen Unwillen unter Deutschen gebe, sowjetische Verbrechen als solche zu benennen. Lieber verharmlose man diese, als dass man des „Antikommunismus“ bezichtigt werde. „So ehrenwert die Verurteilung des Nationalsozialismus ist, so fragwürdig ist die Distanzierung von Amerika“, beurteilt Autor Gnauck den Konflikt. Käßmanns Einstellung zur Ukrainekrise werde festgelegt durch ihre Haltung zu Russland, die wiederum durch ihre Haltung zu Amerika bestimmt werde, wirft Gnauck der Reformationsbeauftragten vor. „Die große Macht im Westen ist für russlandblinde Zeitgenossen stets die größte Reibungsfläche“, urteilt der Autor am Schluss des Artikels. Dabei spiele es auch keine Rolle, wer zur Zeit das Amt des Präsidenten inne habe. Nur über Russland, das sich unter Putin sowohl innen- als auch außenpolitisch in eine gefährliche Richtung entwickle, solle mild oder gar nicht geurteilt werden. (pro)

Von: lms

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