Knapp 200 Menschen haben am Dienstag in Marburg gegen ein Vorhaben der Gemeinde Christus-Treff demonstriert. Die vom Marburger Studierendenausschuss AStA mitorganisierte Veranstaltung nannte sich zwar „Demo gegen Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“. Die Redner machten aber klar, dass sie sich vor allem am Christus-Treff und seiner Planung, einen Marburger Gebäudekomplex zu kaufen, stören.
Es geht um den denkmalgeschützten Lokschuppen. Die Stadt Marburg hat eine Ausschreibung mit unterschiedlichen Konzepten gemacht. Die Demonstranten protestieren dagegen, dass der Christus-Treff dort Räumlichkeiten erhält. „Der Christus-Treff ist eine evangelikal-fundamentalistische Gemeinde mit einem ultrakonservativen Geschlechterbild, Homo- und Transfeindlichkeit und einer Positionierung gegen die freie Wahl beim Thema Schwangerschaftsabbruch“, heißt es im verlesenen offenen Brief. Deswegen dürfe die Gemeinde „keine Räumlichkeiten für Jugendliche und Kinder in Marburg erhalten, um zu missionieren“.
Christus-Treff plant Kindererlebniswelt
Auf Anfrage von pro erklärte das Vorstandsmitglied des Christus-Treffs, Tobias Faix, den Sachverhalt: „Die Stadt verkauft das alte Lokschuppen-Areal. Wir als Christus-Treff haben mit der Firma Schneider ein gemeinsames Angebot abgegeben.“ Bei einem Zuschlag werde die Firma Schneider den Lokschuppen sanieren. Dort soll auch ein großer Versammlungssaal entstehen, der vom Christus-Treff sonntags für Gottesdienste genutzt werde: „Unter der Woche wird der Saal an Marburgerinnen und Marburger vermietet. Der Christus-Treff wird das Werkstattgebäude daneben sanieren und dort eine Kindererlebniswelt schaffen.“
„I met god she is gay“ (Ich traf Gott, sie ist lesbisch) steht auf einem der Plakate am Dienstag, welches die Demonstranten hochhalten. Auf einem anderen steht „My body my choice“ (Mein Körper, meine Wahl). Der Demonstrationszug beginnt auf dem Elisabeth-Blochmann-Platz, vorbei an der katholischen Kirche und der Elisabethkirche bis zum Büro des Christus-Treffs in der Oberstadt. „Es geht uns um einen Rückzugsraum für die LGBT-Gemeinschaft“, sagt eine der Sprecherinnen der Demo. Sie nimmt Bezug auf das Waggonhallen-Gelände beim Lokschuppen, wo es ein Kulturzentrum gibt. Da der Christus-Treff „homophob“ und „menschenverachtend“ sei, weil er die LGBT-Gemeinde „nur ertrage“, soll die christliche Gemeinde keinen Platz im Lokschuppen erhalten: „Es wäre nur schwer zu ertragen, dass in diesen Räumlichkeiten eine weitere Generation Homo-Feinde herangezüchtet wird.“
Homosexuelle haben Angst um Arbeitsplätze
Die Veranstalter der Demo schildern, wie „aktiv der Christus-Treff jetzt schon in der Arbeit mit Jugendlichen“ sei und dafür Geld von der Stadt Marburg bekomme. Ihm gehöre ein Büro am Steinweg, ein Jugendtreff auf dem Richtsberg, das Christhaus am Ortenberg und das Café „Con:text“ in der Oberstadt: „Damit ist der Christus-Treff mehr als genug in der Stadt verbreitet.“ Wenn der Lokschuppen an den Christus-Treff ginge, seien weitere Arbeitsplätze in Marburg nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Es sei deutlich gemacht worden, dass Homosexuelle es in diesen Strukturen nicht weit bringen könnten.
Die Jusos (SPD) und die Linke marschieren mit in der Demonstration. Es sprechen Vertreter der Pro-Choice-Bewegung. Die Fachschaft Roter Faden, die in Marburg die Theologiestudenten in Gremien vertritt, hat die Demonstration mitorganisiert, weil sie ihr christliches Verständnis klar vom Verständnis des Christus-Treffs trennen will. Nicht ganz so aggressive Töne findet eine Gewerkschaftlerin: „Wir sind nicht gegen die Mitarbeiter oder die studentischen Aushilfskräfte beim Christus-Treff. Wir wollen aber, dass der Christus-Treff sich endlich eindeutig beim Thema Gleichberechtigung der LGBT-Gemeinde positioniert.“
Christus-Treff lädt zu offenem Gespräch ein
Vorstandsmitglied Faix weist die Vorwürfe der Demonstration entschieden von sich: „Das stimmt nicht. Alle Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres sozialen Standes und ihrer sexuellen Identität, sind im Christus-Treff willkommen. Wir sind eine offene Gemeinde, und jeder kann sich auch davon selbst ein Bild machen.“ Der Christus-Treff akzeptiere die Meinungsfreiheit aller Marburger Bürger und unterstütze das Anliegen, dass Homosexuelle in Marburg nicht diskriminiert würden.
Deshalb höre sich die Gemeinde das Anliegen der Demonstranten an und lade zu einem offenen Gespräch ein: „Die Frage ist, wie können wir in Marburg gut und friedlich miteinander leben? Da würde ich mir mehr Gespräche miteinander als übereinander wünschen.“ (pro)
Von: mm