Seit 1964 dürfen in deutschen Gerichtssälen keine Fernseh- und Rundfunkaufnahmen gemacht werden. Ein einstimmiger Beschluss des Bundestages vom Freitag ändert das. Mit der Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes soll mehr Transparenz bei wichtigen Gerichtsverfahren geschaffen werden. In Zukunft dürfen danach die Urteilsverkündungen aller obersten Bundesgerichte aufgezeichnet und in Rundfunk, Fernsehen oder im Internet übertragen werden.
Seit 1998 war das bereits bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe möglich. Die Lockerung betrifft nun auch den Bundesgerichtshof (Karlsruhe), das Bundesverwaltungsgericht (Leipzig), das Bundesarbeitsgericht (Erfurt), das Bundessozialgericht (Kassel) und den Bundesfinanzhof (München). In allen anderen Gerichten besteht das Filmverbot aus dem Jahr 1964 weiterhin. Zudem können Medienvertreter künftig Tonübertragungen der mündlichen Verhandlungen der obersten Gerichte in dafür vorgesehenen Medienarbeitsräumen verfolgen. Dies war bislang ebenfalls nicht zulässig.
Striktes Verbot nicht mehr zeitgemäß
Nach Angaben von Spiegel-Online vom Freitag reagiert das Justizministerium mit der Gesetzesänderung auch auf „neue Mediennutzungen“ und will so zu einem „realistischeren Bild der Justiz“ beitragen. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz heißt es dazu: „Die Entwicklung der Rechtsprechung und die Veränderung der Verbreitung von Nachrichten in den Medien haben nach Auffassung der Bundesregierung die Diskussion darüber verstärkt, ob das strikte gesetzliche Verbot von Bild- und Tonübertragungen angesichts der technischen und gesellschaftlichen Veränderungen insgesamt noch zeitgemäß sei.“
Die Gesetzesreform eröffnet zudem die Möglichkeit, Gerichtsverfahren von „herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ für wissenschaftliche Zwecke vollständig aufzuzeichnen. Nach Angaben der Tagesschau war der NSU-Prozess ein Anlass, die Möglichkeit von Fernsehübertragungen aus Gerichtssälen noch einmal grundsätzlicher im Parlament zu erörtern. Im Vorfeld der Verhandlungen beim NSU-Prozess war ein großer „Streit um die Platzvergabe und eine mögliche Übertragung“ entbrannt. (pro)
Von: nob