Von einem Plakat schaut einen ein Mensch mit gedankenverlorenem Blick an. Daneben steht in großen Buchstaben „Du siehst mich. Siehst Du mich?“ Mit diesem Plakat und einer Gedenkminute möchte ein breites Bündnis von kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen nach eigenen Angaben gegen das Sterben im Mittelmeer protestieren.
Für die Schweigeminute am 26. Mai am Berliner Hauptbahnhof unterbricht der Kirchentag um 12 Uhr sein gesamtes Programm, um an die Toten der europäischen Außengrenzen zu erinnern. Bereits ab 11 Uhr gibt es eine Gedenkveranstaltung mit Musik, Zeugnisberichten von Flüchtlingen und Seenotrettern und Fürbitten. An der Veranstaltung wirken unter anderem die Theologen Fulbert Steffensky und Manfred Rekowski sowie die Sänger Eddi Hüneke und Judy Bailey mit.
„Nicht an das tausendfache Sterben gewöhnen“
Die Schweigeminute soll an die mehr als 10.000 Menschen erinnern, die in den vergangenen drei Jahren auf ihrer Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind, heißt es in einer Pressemitteilung. In Anlehnung an die Losung des Kirchentags stehen die Kampagne und die dazugehörigen Plakate unter dem Motto „Du siehst mich. Siehst du mich?“.
„Wir dürfen uns nicht an dieses tausendfache Sterben gewöhnen“, zitiert die Pressemitteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland den rheinischen Präses Manfred Rekowski. Er ist zugleich Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Wir beklagen nicht die Opfer einer Naturkatastrophe, sondern die Opfer einer Politik, die auf Abschreckung und Abschottung setzt. Dies ist mit dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe und einer gottgegebenen Menschenwürde nicht vereinbar.“
Schwan: „Notstand nicht zur Normalität werden lassen“
Schirmherrin der Aktion ist die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan. Sie warnt ebenfalls davor, den Notstand zur Normalität werden zu lassen: Die aktuelle Migrationspolitik sei nicht alternativlos, sondern eine „bewusste Entscheidung gegen die Menschenrechte“. Statt zivile Seenotrettung zu kritisieren oder zu kriminalisieren, müsste die Gesellschaft endlich die Möglichkeiten menschenwürdiger Flüchtlingspolitik umsetzen.
Die Kampagne wird getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland, fünf weiteren Landeskirchen, der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Brot für die Welt, Diakonie Deutschland, Diakonie Katastrophenhilfe, Pro Asyl, Sea-Watch und der Berliner Stadtmission. Weitere Informationen zu der Aktion gibt es online. (pro)
Von: jw