Er selbst sei kein Christ. Das stellt der Wissenschaftshistoriker Ernst-Peter Fischer gleich zu Beginn seines Buches klar. Er sei zwar christlich erzogen, getauft und konfirmiert worden, und auch seine eigenen Kinder habe er taufen lassen. Er möge die Bibel und habe wegen ihr sogar Hebräisch gelernt. „Aber zu einem Glauben an einen gütigen Gottvater im Himmel bin ich dabei nicht einmal in Ansätzen gekommen.“ Dennoch könne er aus historischer Sicht nicht verleugnen, dass der Glaube an Gott immer wieder einen „enormen Schub“ in der Kultur und in der Wissenschaft hervorgebracht habe.
Fischer studierte Mathematik, Physik und Biologie, 1987 habilitierte er sich im Fach Wissenschaftsgeschichte, welches er als Professor an der Universität Konstanz lehrt. Bekannt wurde er vor allem durch sein Buch „Die andere Bildung“, mit dem er auf den Bestseller „Bildung. Alles was man wissen muß“ des Hamburger Literaturprofessors Dietrich Schwanitz reagierte. Schwanitz hatte die Naturwissenschaften nur am Rande erwähnt, und Fischer konterte, dass sie sehr wohl zur Allgemeinbildung gehörten. Der 70-Jährige schreibt für verschiedene Zeitschriften wie GEO, Bild der Wissenschaft sowie die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Regelmäßig beantwortet er zudem in der Radiosendung „1000 Antworten“ von SWR 2 die Fragen von Zuschauern. Gemeinsam mit den Astronomen Harald Lesch und Josef M. Gaßner betreibt Fischer den YouTube-Kanal „Urknall, Weltall und das Leben“.
Fischer kommt es darauf an, Wissenschaft als Poesie zu sehen, die man „mit dem Herzen“ vielmehr verstehen sollte als mit dem Verstand. Und so klingt denn auch seine Sprache. Sie erscheint oftmals sehr philosophierend, anstatt auf einen bestimmten Zielpunkt hinarbeitend. Schon immer sei die Menschheit zwischen Glaube und Wissenschaft hin und her geschwankt, schreibt Fischer. Beides war den Menschen seit Tausenden von Jahren offenbar wichtig. Albert Einstein formulierte den passenden Satz: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“ Fischer ist überzeugt: „Beide gehören zusammen.“
Glaube und Wissenschaft gehören zusammen
Die meisten Forscher früherer Zeiten hatten überhaupt kein Problem damit, an einen Schöpfergott zu glauben. Der Astronom Johannes Kepler beispielsweise bekannte sich trotz der Widrigkeiten während des Dreißigjährigen Krieges zu seinem protestantischen Glauben, klärt der Autor auf. Kepler sah es als seine Aufgabe an, das Wirken Gottes in seiner Schöpfung zu erforschen und aufzuzeigen. Kepler hatte übrigens kein Problem mit dem Modell des polnischen Astronomen Nicolaus Kopernikus, nach dem nicht die Erde im Zentrum des Planetensystems steht, sondern die Sonne. Er brachte auch dieses (damals revolutionäre) Weltbild mit seinem Glauben in Einklang: Wie die Sonne steht der himmlische Vater im Zentrum von allem, darum kreist sein Sohn, und den Heiligen Geist sah Kepler in den Kräften dazwischen.
Auch als ungläubiger Mensch fomuliert Fischer Sätze wie den, dass Gott sicher nicht weit weg ist, „wenn sich Menschen so unbändig darüber freuen, dass sie mit ihren geistigen Mitteln etwas von seiner Schöpfung verstehen können“. Wir erfahren, dass Isaac Newton einer der größten Naturwissenschaftler aller Zeiten und zugleich ein sehr gläubiger Mensch war. Für ihn waren sowohl der Raum, als auch die Zeit Ausströmungen (Emanationen) Gottes. Und wenn Gott Herr über Raum und Zeit und seine eigenen Naturgesetze ist, warum sollte er sie nicht ändern können?
Von Charles Darwin erfahren wir unter anderem, dass dessen Lieblingstochter Annie im Alter von nur zehn Jahren nach Übelkeit und Schmerzen starb. „Von ihrem sinnlosen Tod war Darwin derart erschüttert, dass er unfähig war, an Annies Begräbnis teilzunehmen. Als er aus seiner Depression erwachte, sagte er sich endgültig vom Christentum und dem dazugehörenden Glauben los.“
„Einstein war unter der Hand Theologe“
Wichtig in Bezug auf gläubige Wissenschafter ist allemal ein Blick auf den Physiker Max Planck. „Er verband Physik mit religiös klingenden Worten wie ‚Suche nach dem Absoluten’“, schreibt Fischer. Planck befasste sich zeit seines Lebens mit Themen wie „Wissenschaft und Glaube“ oder „Kausalität und Willensfreiheit“. Auf sein berühmtes Zitat „Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller Überlegungen“, geht der Autor näher ein.
Schließlich führt in einem solchen Buch kein Weg um Albert Einstein, Niels Bohr und Werner Heisenberg herum. Der Dichter Friedrich Dürrenmatt habe einmal den Verdacht geäußert, dass Einstein „unter der Hand als Theologe tätig“ gewesen sei, schreibt Fischer, und weiter: „Den Eindruck kann man durchaus bekommen, wenn man einmal nachzählt, wie oft Einstein sich über Gott und Götter geäußert hat.“ So sagte Einstein einmal: „Ich möchte nichts anderes als meine Ruhe haben und wissen, wie Gott die Welt erschaffen hat. Seine Gedanken sind es, die mich beschäftigen.“ Fischer fügt hinzu: „Einstein vertrat die Idee einer verständlichen Welt, in der Gott die Gesetze so versteckt hat, wie es Eltern mit Ostereiern im Garten machen.“
Das Buch ist für Laien gut zu verstehen, soweit es um die Welt der Physik geht. Denn der Autor geht nie wirklich in die Tiefe der wissenschaftlichen Arbeiten. Er bemüht sich stets, die Motivation der jeweiligen Forscher nachzuzeichnen und eine ähnliche Faszination für die Natur beim Leser zu wecken. Für naturwissenschaftlich einigermaßen versierte Leser dürfte in dem Buch indes nicht allzu viel Neues zu finden sein.
Leider kommt Fischer öfter vom eigentlichen Thema des Buches ab und verfängt sich in Anekdoten über Physiker, die zwar nett zu lesen sind, aber nichts mit deren Religiosität zu tun haben. Fischer kommt zu dem Schluss: „Es ist nicht zu übersehen: Trotz aller Erfolge der Wissenschaft hängen die Menschen viel stärker an der Religion.“ (pro)
Ernst-Peter Fischer: „Wenn das Wissen nicht mehr reicht“, Komplett-Media, 240 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783831204465
Von: js
Eine Antwort
Sehr interessant. Vielleicht bekomme ich das Buch zu Weihnachten geschenkt.