Das Magazin Der Spiegel, die Wochenzeitung Die Zeit, die Tagesschau – alle großen Medien berichteten diese Woche darüber, dass der Ex-Präsident der USA, Barack Obama, zum Evangelischen Kirchentag nach Berlin reist. Dem Kirchentag ist es gelungen, mit der spektakulären Personalie Aufmerksamkeit für das Glaubensfest am Himmelfahrtswochenende zu schaffen.
Wichtiger noch: positive Aufmerksamkeit, denn Obama ist in Deutschland nach wie vor beliebt wie kaum ein Politiker. Zum Ende seiner Amtszeit 2016 bescheinigten ihm 84 Prozent der Deutschen, ein guter Präsident gewesen zu sein, ergab eine N24-Emnid-Umfrage. Obamas Popularität dürfte seither nicht gesunken sein.
Für den Kirchentag ist Obamas Name in der Liste der prominenten Redner daher ein Glanzpunkt. Zu Recht können die Organisatoren stolz auf dieses Highlight sein.
Umso ärgerlicher sind die Stimmen der Mahner und Kritiker, die sich nicht über die zusätzliche Aufmerksamkeit für das bunte Glaubensfest freuen können. Der Theologe und Bestseller-Autor Peter Hahne warf der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vor, sich im Licht Prominenter zu sonnen und beleidigte den ehemaligen US-Präsidenten als „abgehalfterten Messias“, sprach gar von einer „parasitären Publizität“, derer sich die Kirche bediene.
Tatsächlich versteht sich der Kirchentag als „gesellschaftliches Forum der Diskussion und Gemeinschaft“ und ist durch seine Vielfalt eine durchaus liberale Veranstaltung innerhalb des christlichen Spektrums in Deutschland. Der liberale Ex-Präsident Obama passt da gut ins Programm – schon im Vorfeld zu unterstellen, dass in seiner Rede Glaubensinhalte zu kurz kämen, ist dennoch schwarzseherisch. Obama hat sich mehrfach zu seinem Glauben bekannt. Bei Entscheidungen, die er als Präsident und Familienvater getroffen habe, habe er sich mehrfach an der Bibel orientiert. Vielleicht überrascht er die Zuhörer mit einem echten Glaubenszeugnis. Das wäre wunderbar. Vielleicht werden überzeugte Christen aber auch enttäuscht sein, sollte es seiner Rede am Ende doch an Tiefe fehlen. Kritik kann dann natürlich geübt werden – aber bitte erst hinterher.
Obamas Besuch hat auf jeden Fall sein Gutes: Der ehemals mächtigste Mann der Welt wird Menschen anlocken, die sonst nicht zum Kirchentag gekommen wären. Menschen, die nur deswegen kommen, um Obama einmal live zu erleben. Sollten sie tatsächlich in dessen Rede nicht die erhoffte geistliche Tiefe finden, so stoßen sie vielleicht anderswo in der fröhlichen Kirchentagsvielfalt darauf. Denn in dem bunten Treiben wird mit Sicherheit auch das von Hahne – zu Recht – gewünschte „pure Evangelium in der kompromisslosen Sprache Luthers“ zu finden sein. Was für eine Chance für den Glauben! (pro)
Von: str