dpa bedauert als einseitig kritisierten Israel-Bericht

Aus Anlass des Netanjahu-Besuchs in Washington untersucht die Deutsche Presse-Agentur Donald Trumps jüdische Geldgeber. Der Bericht bedient antisemitische Klischees. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
Von PRO
Die dpa legt besonderen Fokus auf Trump-Unterstützer Adelson

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) ist die größte Nachrichtenagentur der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist in etwa 100 Ländern der Welt vertreten und beliefert mit ihren Berichten alle namhaften Medien.

Ihr Umsatz lag im Jahr 2015 bei etwa 90,7 Millionen Euro. Mit der geballten deutschen Pressemacht im Rücken haben ihre Korrespondenten Stefanie Järkel und Michael Donhauser (dpa-Auslandsdienst) nun eine neue jüdische Gefahr präsentiert, die alle Elemente einschlägiger antijüdischer Verschwörungstheorien abdeckt.

Das Finanzjudentum und der „Thron“ in Amerika

Anlass ist der USA-Besuch des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, der laut dpa „politischer Unruheherd im Nahen Osten“ ist. Er sei „für die Amerikaner geliebter Feind und gehasster Freund zu gleichen Teilen“. Wer diese Amerikaner sind, die so denken, wird nicht ausgeführt.

Unter der Obama-Administration hätten die Beziehungen mit Israel den „Gefrierpunkt“ erreicht. Das ist eine Steile These angesichts der deutlich aufgestockten Militärhilfe unter Obama und der Lieferung von F-35 Tarnkappen-Kampfflugzeugen an Israel als erstem Land außerhalb der USA.

Weiter geht es bei dpa im Stil des Machwerks des zaristischen Geheimdienstes, den „Protokollen der Weisen von Zion“: „Trump, von einflussreichen jüdischen Parteispendern mit auf den Thron gehoben, hat eine Totalumkehr in der Nahost-Politik versprochen.“ Dieser Satz und die nachfolgende Aufzählung einflussreicher jüdischer Millionäre verstärkt den Eindruck einer Weltverschwörung des Finanzjudentums, das mit seinem Reichtum die amerikanische Politik lenkt. Dass der nicht-jüdische Trump selber ein Multimilliardär ist, wird nicht erwähnt.

Ein Präsident mit jüdischer Verwandtschaft

Der Agenturbericht zählt weiter einige Juden im Team des Donald Trump auf, darunter Jared Kushner, Trumps Berater und Schwiegersohn, „Spross einer strenggläubigen jüdischen Familie“. Ob und wie „strenggläubig“ die katholischen, protestantischen oder sonstigen Mitarbeiter von Trump sind, interessiert dpa nicht.

Unklar bleibt auch, welche Rolle derartige „Strenggläubigkeit“ in der Politik spielt. Schließlich gibt es strenggläubige Juden der Neturei-Karta-Sekte, die den Zionismus bekämpfen und Israel abschaffen wollen. Um Israel effektiver bekämpfen zu können, hatte der Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, seinerzeit den Chef von Neturei Karta, den Rabbiner Moshe Hirsch, in sein Kabinett aufgenommen.

Erwähnt wird Sheldon Adelson, „schwerreicher Kasinounternehmer“, der den Republikaner-Wahlkampf mit insgesamt 65 Millionen Dollar (rund 61 Millionen Euro) speiste. Diese Summe dürfte nur einen Bruchteil der Kosten des Wahlkampfes ausgemacht haben. Aber wenn ein Jude ein paar Millionen spendet, hat es wohl für dpa ein besonderes Gewicht.

„Adelson hält Palästina für eine Erfindung, die ausschließlich zur Zerstörung Israels gedacht sei“, erklärt dpa weiter. Tatsache ist, dass es „Palästinenser“ erst seit 1968 gibt, als Arafat in der zweiten PLO-Charta erstmals die Araber des britischen Mandatsgebiets „Palästina“ so bezeichnete. Bei den Vereinten Nationen und in bundesdeutschen Dokumenten tauchen „Palästinenser“ erstmals 1974 auf. Dazu sei noch erwähnt, dass die Bezeichnung „Palästina“ für die römische Provinz „Judäa“ der römische Kaiser Hadrian im Jahr 132 „erfunden“ hatte, um das Gedenken an die jüdische Herrschaft im Lande zu tilgen.

„Mit David Friedman installierte er (Trump) einen Israel-Botschafter, der bisher Konkursanwalt war und politisch unbeschlagen ist. Der Sohn eines Rabbis ist aber als Hardliner in der Nahostfrage bekannt – und als persönlicher Freund von Donald Trump.“ Die dpa verrät allerdings nicht, wie jemand „politisch unbeschlagen“ und gleichzeitig als „Hardliner“ in Nahost bekannt sein kann. Aus Sicht von dpa ist wohl der größte Makel Friedmans, als Jude ein „persönlicher Freund“ Trumps zu sein. Zwischendurch behaupten die dpa-Korrespondenten: „Das alles klingt nicht gut für die Palästinenser.“ Wirft die dpa etwa Netanjahu vor, im Interesse Israels und nicht für die Sache der Palästinenser nach Washington zu reisen?

Die Spirale der Aufrüstung

Die USA würden das Atomabkommen mit Iran nicht aufkündigen, heißt es in dem Bericht weiter, „aber es kann gut sein, dass die USA den Iran dazu bringen, es aufzukündigen“. Das behauptet dpa zufolge „einer“. Und nach dieser anonymen Aussage von einem der Tausenden „westlichen Diplomaten“ spekuliert dpa schon: „Dann droht sich eine Spirale von Aufrüstung und gegenseitigen Drohungen zu entfalten, die gefährlich werden kann.“

Die Agentur mit Monopolstellung in den deutschen Medien erwähnt nicht, dass der Iran auch dieser Tage mit Videofilmchen auf YouTube und bei der iranischen Agentur „Press TV“ ganz offen die Zerstörung Israels propagiert. Und angesichts des vom Iran unterstützten Bürgerkriegs in Syrien mit über einer halben Million Toten und Millionen Flüchtlingen, fragt sich, was da noch gefährlicher sein könnte.

Gewissermaßen um das Bild abzurunden geht die dpa auch auf die Innenpolitik in Israel ein und behauptet: „Netanjahu reist ohnehin zu einer Zeit nach Washington, in der er innenpolitisch massiv unter Druck steht. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Er soll unter anderem teure Geschenke von Geschäftsleuten angenommen haben.“ Hierzu sei angemerkt, dass die israelische Opposition seit der ersten Wahl Netanjahus 1996 behauptet, dass der „rechts-religiöse“ Premier „unter Druck“ stehe. Und wenn dpa auch noch von „rechts-religiösen Mitgliedern der Regierung“ berichtet, was soll man dann über die deutsche Regierung sagen, wo die größte Partei ein hohes „C“ im Namen trägt und zumindest im Vergleich mit dem Koalitionspartner als „rechts“ gilt?

Nach Zitaten von israelischen Professoren, die der dpa ins Konzept passen, heißt es: „Die Karte des Gebietes – das nach Meinung fast der gesamten Welt eigentlich ein Palästinenserstaat werden soll – sieht aus wie ein Flickenteppich, gespickt mit unzähligen israelischen Siedlungen. Ein zusammenhängendes Staatsgebiet ist praktisch nicht vorhanden.“ Hierzu sei erwähnt, dass auch der 1982 an Ägypten zurückgegebene Sinai und erst recht der 2005 unter dem „Hardliner“ Ariel Scharon vollständig geräumte Gazastreifen ebenso „gespickt“ waren mit Siedlungen.

Die Amerikaner, die UN und andere wissen zudem, dass es im Falle eines ausgehandelten „Friedens“ auf jeden Fall Grenzkorrekturen und Landtausch geben muss. Aber dpa hat wohl eine Umfrage gemacht, um die „Meinung fast der gesamten Welt“ einzuholen.

Kontroverser Bericht

Der bei dem Nachrichtenmagazin Focus und zahlreichen anderen Medien veröffentlichte dpa-Text löste eine Kontroverse aus.

Der Europa-Korrespondent der Tageszeitung Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, fragte bei dpa an: „Kritiker sagen, dieser Bericht ist stark von Antisemitismus geprägt. So sagt der Experte Daniel Killy von der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft folgendes zu diesem Text: ‚So beginnt ein Text der dpa zum bevorstehenden Besuch Benjamin Netanjahus in Washington. Und nein, es ist nicht eine NPD-Verlautbarung. Es ist die Deutsche Presse-Agentur, die mit jüdischen Weltmacht- und Lobby-Klischees und anderen Antisemitismen um sich wirft? Unfassbar!‘ Meinen Sie, dass der besagte Text stark von Antisemitismus geprägt ist? Wenn nicht, warum?“

Chris Melzer, ein dpa-Specher, schrieb zurück: „Lieber Herr Weinthal, der Text hätte so nicht veröffentlicht werden sollen, wir bedauern das. Er wurde auch bereits bearbeitet und eine Neufassung müsste in diesen Minuten veröffentlicht werden. Mit freundlichen Grüßen – Ihr Chris Melzer.“

Zeitgleich erhielt Weinthal Post von der dpa-Korrespondentin: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. DPA hat sich bereits auf Twitter zu dem Thema geäußert. Wir reagieren entsprechend. Vielen Dank und schöne Grüße, Stefanie Järkel.“ Bei Twitter hatte Björn Stritzel angemerkt: „Die @dpa entlarvt heute ganz traditionell den wahren „Unruheherd im Nahen Osten“ und einige sinistre Strippenzieher hinter Trump.“

Darauf antwortete die dpa: „Wir überarbeiten nach den Hinweisen den Text. Einige Formulierungen entsprechen nicht dpa-Standards. Danke für den Hinweis/him“

Weinthal wollte außerdem von Melzer erfahren, ob die Korrespondenten eine „Abmahnung“ erhalten hätten, worauf der Sprecher antwortete: „Shalom, Herr Weinthal, nein, eine Abmahnung gab es nicht. Dieses zweitschärfste Mittel des Arbeitsrechts vor der Entlassung wenden wir nur selten an. Aber wir haben bereits mit den Autoren gesprochen und den Text, der so nie hätte gesendet werden dürfen, mit ihnen sehr, sehr kritisch ausgewertet. Wir bedauern sehr, dass diese missverständliche Fassung auf den Draht gegangen ist. Die besten Grüße – Ihr Chris Melzer“

Neufassung nach Kritik

Nachdem die ursprüngliche Version des „missverständlichen“ Korrespondentenberichts nicht nur beim Focus, sondern auch bei den Stuttgarter Nachrichten, der Hessischen Niedersächsichen Allgemeine, der Märkischen Oderzeitung und vielen anderen am frühen Morgen veröffentlicht worden war, verteilte die dpa tatsächlich am späten Nachmittag eine überarbeitete Neufassung.

Netanjahu ist nun nicht mehr „politischer Unruheherd im Nahen Osten“. Statt des „Gefrierpunkts“ bei den Beziehungen unter Obama wurde nun „Tiefpunkt“ formuliert. Die verschwörerische Behauptung, wonach Trump „von einflussreichen jüdischen Parteispendern mit auf den Thron gehoben“ worden sei, ist gestrichen. Aber die Rechtfertigungen für diese Behauptung, Trumps Berater aus „strenggläubig jüdischen Familien“ und die Wahlkampfspende von Sheldon Adelson in Höhe von 65 Millionen Dollar, blieben bestehen, ebenso wie Adelsons Behauptung, wonach Palästina eine „Erfindung“ sei.

Immerhin wird in der neuen Textversion der von Forbes 2015 mit einem Vermögen von 31 Milliarden US-Dollar gelistete Adelson bei dpa nicht mehr als „schwerreich“ angeführt, sondern nur noch als „Kasinounternehmer“. Die von Adelson für den Wahlkampf Trumps gestifteten 65 Millionen könnte man glatt als „Peanuts“ bezeichnen. Wer überzeugt ist, dass die Juden mit ihrem Geld die Präsidentenwahl in den USA entscheiden, wird also auch in der neuesten Fassung dieses „missverständlichen“ dpa-Berichts in seinem Glauben bestätigt. (pro)

Von: Ulrich W. Sahm

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