„Judenhass durchdringt arabische Kultur”

Die Islamwissenschaftlerin Carmen Matussek berichtet in einem neuen Buch von Muslimen, die sich zu Israel bekennen. Und sie warnt vor Konsequenzen, sollten die Europäer die Augen vor islamischem Antisemitismus verschließen. Eine Rezension von Merle Hofer
Von PRO
Nur wenige Araber bezeichnen Israel als „Freund“. Die Islamexpertin Carmen Matussek hat einige von ihnen getroffen.

„Israel, mein Freund – Stimmen der Versöhnung aus der islamischen Welt“ – so heißt das aktuelle Buch der Islamwissenschaftlerin Carmen Matussek. Der Beginn gibt eine ausführliche und hilfreiche Einordnung in den Antisemitismus der islamischen Welt. „Antisemitismus ist in den meisten islamischen Gesellschaften tief verwurzelt und prägt sowohl das Straßenbild als auch das Bewusstsein der Menschen.“

Gleichzeitig macht die Autorin deutlich: „Vor nicht allzu langer Zeit hat Antisemitismus die deutsche Politik und Kultur um ein Vielfaches mehr geprägt, als wir es heute in der islamischen Welt sehen.“ Diese Aussage belegt sie an diversen Beispielen und setzt biblische Geschichte in den heutigen Zusammenhang. So spricht sie im Zusammenhang des Auszugs vom Volk Israel aus Ägypten von der Nilgida-Bewegung. Sie zeigt anhand biblischer Geschichte auf, dass sich Antisemitismus immer auf Juden allgemein bezieht und die Unterscheidung zwischen dem Staat Israel und den Juden eine künstliche ist.

Matussek erzählt von dem jungen Ägypter Mina Abdelmalek, der durch seine Arbeit im Holocaustmuseum von Washington versucht, bei arabischen Besuchern einen gedanklichen Haken zu setzen. Er ist überzeugt: „Für die meisten Leute sind Gefühle wichtiger als Fakten.“

Judenhass durchdringt arabische Kultur

Nonie Darwish ist Tochter eines „Märtyrers“ aus Gaza und sagt: „Im Westen können nur wenige erfassen, wie sehr der Judenhass jeden Bereich der arabischen Kultur durchdringt.“ Nach ihrem Besuch in Israel und an christlichen Orten im Westjordanland kommt sie zu dem Schluss: „Israel respektiert bis heute alle Religionen, beschützt Gläubige jeder Richtung und gewährt ihnen Zutritt zu ihren heiligen Stätten.“

Die familiären Wurzeln der britischen Ärztin Qanta Ahmed führen nach Pakistan. Sie stellt fest: „Die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel würde mit der Zweistaatenlösung nicht aufhören. Diese Feindschaft beobachte ich auch und besonders unter Akademikern oder in den britischen oder europäischen Medien. Dort nennt man sie‚ Antizionismus‘ und nicht ‚Antisemitismus‘, weil Antisemitismus nicht mehr salonfähig ist, während Antizionismus als eine akzeptable politische Einstellung gilt.“

Das Buch erzählt auch von dem Briten Kasim Hafeez, dessen Großeltern aus Pakistan stammen. Der sagt: „Wenn es tatsächlich eine pro-palästinensische Bewegung gäbe, dann würde sie sich auch gegen die Hamas, deren regelmäßige Hinrichtungen und die Unterdrückung der Palästinenser durch die Araber richten. Aber man ist nicht wirklich für die Palästinenser, sondern einfach nur gegen Israel.“

Der Marokkaner Abderrahim Chhaibi kommt ebenfalls zu Wort. Neben einem Besuch in Israel hält er die Bildung über den Holocaust für ein geeignetes Mittel, dem Judenhass der Araber zu begegnen. Viele Probleme der arabischen Welt ließen sich leichter lösen, wenn die Fakten über den Holocaust bekannt wären.

Eine liebevolle Warnung

Matussek ist die Liebe zu Muslimen abzuspüren. Vielleicht gerade deshalb ist ihr wichtig, zu warnen: „Wenn wir weiterschlafen oder noch länger diskutieren, ob es unter Muslimen überhaupt eine nennenswerte Dimension von Antisemitismus gibt, könnte sich in Europa wiederholen, was in der islamischen Welt schon passiert ist: Dass jüdisches Leben verschwindet.“

Über Deutsche sagt die Historikerin: „Wir haben weder Grund noch Recht, uns moralisch über Muslime zu erheben, auch dann nicht, wenn sie sich antisemitisch äußern. Bevor wir Muslime belehren, hätten wir Grund dazu, uns bei ihnen zu entschuldigen. Die deutsche Mitschuld an der antisemitischen Gehirnwäsche ganzer Generationen zieht sich von der Außenpolitik der Nazis bis zum allgemeinen Schweigen heute.“ Aufarbeitung ist der Autorin wichtig: „Im Gespräch mit Menschen aus der islamischen Welt habe ich die Erfahrung gemacht, dass nichts so viel Überzeugungskraft hat wie mein Bekenntnis zu meiner eigenen Familiengeschichte.“

Stimmen müssen gehört werden

Die bewegenden Geschichten der Muslime, von denen Matussek berichtet, bleiben einzelne. Umso wichtiger ist, dass diese Stimmen gehört werden. Ihre Quellen legt Matussek am Ende des Buches offen. Dort gibt es eine umfangreiche Materialsammlung, die dazu anregt, sich näher mit angerissenen Themen zu beschäftigen. Die Lektüre des Buches ist kurzweilig, auch deshalb, weil die Autorin eigene Erlebnisse ehrlich und humorvoll beschreibt.

Erklärtes Ziel der Islamwissenschaftlerin ist es: „… wenn die Dialogpartner unüberbrückbare Differenzen als solche anerkennen und trotzdem noch zusammen Tee trinken und gute Nachbarn sein können. Europa soll für Israel ein Freund sein, bei dem es Unterstützung und Verständnis findet.“

„Israel, mein Freund“ – auch wenn die Geschichten der einzelnen Muslime größtenteils lediglich aneinandergereiht sind: Zweifelsohne ist das Buch ein Gewinn für alle, die im Kontakt mit muslimischen Flüchtlingen sind und deren Hintergrund besser verstehen wollen. (pro)

Carmen Matussek: „Israel, mein Freund – Stimmen der Versöhnung aus der islamischen Welt“. SCM Hänssler, 270 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 978-3-7751-5693-6

Von: Merle Hofer

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